Zeremonienmeister der globalen Club-Kultur






Popstars ohne spektakuläre Selbstinszenierung? Im 21. Jahrhundert undenkbar. Auch ein Fossil wie die ohnehin Image-bewussten „Pet Shop Boys“ gehorcht den Gesetzen des Marktes. Doch warum zum deutschen Tourneestart ausgerechnet das Motiv des „Bad Boy“ bemühen? Bei einer Signierstunde in Berlin anlässlich ihres gerade erschienenen Buches schnitten Neil Tennant und Chris Lowe vor laufenden Kameras höhnische Grimassen. Wenig später verwies man harsch die Medienzunft des Raumes. Obendrein war ein Autogramm nur solchen Fans vergönnt, die auch den überteuerten Bildband kauften. Divenhafte Altersschrulligkeit oder bewusst geschürtes Scharmützel?




Einen Tag später beim ausverkauften Gastspiel in der Alten Oper präsentieren sich die „Pet Shop Boys“ ganz ohne Skandälchen. Nach mäßig erfolgreichen Experimenten in kompletter Band-Besetzung, einem Musical am Londoner Westend und der symphonischen Vertonung von Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ in den vergangenen Jahren besinnen sich die blasierten Briten mit dem von den amerikanischen Synthie-Pop-Pionieren „Sparks“ entliehenen audiovisuellen Konzept auf einstige Tugenden. Begleitet von Tänzern und drei Backing-Vokalisten setzen sie sich vor einer mit Impressionen der Bühnen- und Kostümbildnerin Es Devlin gespeisten Digital-Projektionsfläche wie zu Karrierebeginn in Szene: als clevere Zermonienmeister globaler Club-Kultur.




Selbstironisches schon zum Auftakt, identisch gekleidete Doppelgänger-Pärchen stiften Verwirrung: Wer sind die Echten? Doch die von Hakeem Onibudo choreografierten Akteure entlarven sich schnell selbst. Agieren sie mit akrobatischen Tanzeinlagen doch wesentlich agiler als ihre beiden hüftlahmen Chefs. Bereitwillig servieren der mittlerweile auf dem ergrauten Haupt stark gelichtete Frontmann Neil Tennant (52) und sein fünf Jahre jüngerer Keyboard-Programmierer Chris Lowe ihrer nostalgisch gestimmten Fangemeinde vorgerückten Alters einen üppigen Hit-Querschnitt: Von „Left To My Own Devices“ zu „Rent“, von „Opportunities“ zu „West End Girls“ – es bleiben keine Wünsche offen in der stets ein wenig zu blechern, pompös und antiquiert tönenden Elektronik-Mixtur aus digitaler Konserve.




Ohne optische Beigaben bliebe die kokett gegen den Strich gebürstete Low-Budget-Show nur eine durchschnittliche Nummernrevue. Auch wenn hintersinnig in „Shopping“ die protzige Kaufsucht der Neureichen hinterfragt, Tony Blair als allzu treuer Vasall von George Bush enttarnt und Princess Dianas 10. Todestags gedacht wird. Zur Antikriegshymne „The Sodom And Gomorrah Show“ marschiert die Crew gar in bizarren Uniformen wie paramilitärische Putschisten auf. Den schönsten Song heben sich die „Pet Shop Boys“ bis zum Finale auf: „Being Boring“ – eine Liebeserklärung an jene Generation, die in den 70ern Teenager war.

Taken from: FRANKFURTER NEUE PRESSE
Interviewer: Maximilian Steiner