Zeitlos im Frack – Pet Shop Boys auf Tour

Stil ist eine ernsthafte Sache, und bei den Pet Shop Boys sowieso.


Die zwei Briten sind mehr als 20 Jahre im Geschäft. Im Konzert spielen sie ihre


zunehmend politischen Lieder, voller schwulem Glamour und Oberflächen-Reizen.


Und siehe: sie können nicht langweilen.




Es lohnt sich auch nach mehr als 20 Jahren noch, sich bei den Pet Shop Boys zur Bühne durchzuschlagen. Nicht nur wegen der Ekstase ihrer schrillsten Gäste, sondern um Neil Tennant ins Gesicht zu sehen. Wie er singt und schmunzelt, mit Zylinderhut und Frack, wie er zufrieden auf die Tänzer schaut, die ihn, den 52-jährigen, als jungen Mann verkörpern.




„Wenn ich auf der Bühne stehe, fühlt es sich so an, als wären wir wieder am Anfang“, sagt er. „Das beruhigt mich.“ Am rechten Bühnenrand beschäftigt sich Chris Lowe mit dem Computer, sorgt für die Musik und lässt sich sonst nicht weiter stören. Es geht um die originellen Bühnenbilder von Es Devlin. Um die Darbietung der engagierten Sänger und um die von Hakeem Onibudo angewiesenen Tänzer. Es ist eine kleine Werkrevue der auf kokette Weise mitwirkenden Pet Shop Boys. Und es wirkt großartig, vor allem aus der Nähe.




Es geht doch eher um das Drumherum




Man darf glücklich sein über die eher bescheidene, grundsätzliche Inszenierung. In den letzten Jahren hatten Lowe und Tennant sich verstärkt um Überraschungen bemüht. Vielleicht, um nicht als Rolling Stones der Popmusik zu enden. Abenteuerlich gebaute Bühnen von Zaha Hadid. Ein Musical am Londoner Westend. Tennant mit Gitarre vor dem Bauch wie ein Folkloresänger. Auftritte vor deutschen Kohlebaggern und mit Symphonieorchestern. Ihr Konzert auf einem Dresdner Plattenbau zum Revolutionsfilm „Panzerkreuzer Potemkin“. Alles große Kunst.




Nun ist die Kunst aber auch restlos ausgedeutet durch den opulenten Pet-Shop-Boys-Bildband „Catalogue“, die DVD „A Life In Pop“ und die Entzauberung des Pop im allgemeinen. Dass es nicht nur um Musik geht, sondern um das häufig interessantere Drumherum, haben die Pet Shop Boys schon den Achtzigern begründet. Es bleibt nicht mehr viel zu tun. Was aber bleibt, ist das Versprechen, nicht zu langweilen.




„An Evening of Electronic Entertainment“, stellt Neil Tennant im Berliner Tempodrom in Aussicht. Ferner alte Stücke, jüngere Stücke und politisch kontroverse Songs. „Oh, yes!“ Wer Tennant aus der Nähe lächeln sieht wie einen Abendunterhalter, könnte leicht dem alten Irrtum unterliegen, hier zu sein, um ein Gesamtkunstwerk der Ironie zu feiern.




Uniformen und Frack




Ein Konzert der Pet Shop Boys ist immer eine stilvolle und ernste Angelegenheit, die deshalb viel Humor verlangt. Von allen Seiten. Als Neil Tennant „It’s A Sin“ vorträgt, steht er wie zufällig vor einem Neonkreuz. „The Sodom And Gomorrah Show“ ist eine aktuelle Antikriegshymne, zu der das Tanzensemble in bizarren Uniformen aufmarschiert und Tennant statt des Fracks in goldener Generalsmontur erscheint wie ein lateinamerikanischer Putschist. Hier dient die schwule Show der Sache. Und die Sache selbst ist ganz und gar nicht komisch.




„Wir sind immer noch die Pet Shop Boys“, beruhigt Tennant. Es war ja nie so, dass das Politische dem Duo jemals fern lag. Doch die letzten beiden Studioalben bargen solche Botschaften nicht mehr so feinsinnig unter der Oberfläche. „Fundamental“ dient der Tour heute als Anlass. Eine Platte, die aus Lowes und Tennants Sorgen keinen Hehl macht, es geht um globale Blödheit und um Einbußen an individueller Freiheit.




Aber vielleicht ging es darum immer schon, und man ist heute nur empfindlicher und braucht die Pet Shop Boys schon deshalb umso dringender. Ihr heiteres Bewusstsein und so etwas wie Intelligenz mit Stil. In „Fundamental“ stecken schließlich auch eher weiche Wörter wie „mental“ und „fun“.




Geschichten über Vorstädte und Cowboys




Wie im Theater wird verfremdet und erzählt. Neil Tennant pflegt seine im Grunde ja gesangsuntaugliche Geschichtenstimme. In „Suburbia“ begegnen sich die Gangs vor trostlosen Gardinen. „Rent“ spielt sich vor schmerzhaft roten Wänden ab und „Shopping“ vor verzerrten Barcodes. „Dreaming Of The Queen“ begleitet heute den Diana-Trauerzug.




Für „Always On My Mind“ erscheinen riesenhafte Köpfe von Neil Tennant und Chris Lowe, auf denen Karnevalsfiguren tanzen. „Where The Streets Have No Name (I Can’t Take My Eyes Off You)“ beschäftigt homosexuelle Cowboys, „Paninaro“ lässt die Hooligans im Stadion rasen. Zu „Go West“ verlieren sich die Sehnsüchte der Straße nur noch in der Ferne. Dann ist Schluss.

Taken from: Welt Online
Interviewer: Michael Pilz