Wir sind sehr altmodisch

Mit dem selbstverliebten Gehabe der jungen Popstar-Generation können die Pet Shop Boys nichts anfangen.




Mehr als 30 Jahre im Geschäft, mehr als 100 Millionen Platten verkauft. Die Pet Shop Boys sind eines der erfolgreichsten Pop-Duos der Welt und haben mit Stücken wie „It’s A Sin“, „Always On My Mind“ Musikgeschichte geschrieben. Bevor am 10. September ihr elftes Studioalbum „Elysium“ erscheint, sprachen Neil Tennant (58) und Chris Lowe (53) übers Bahnfahren, Hochzeitsauftritte und moderne Popmusik.




Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Meine Bahn verspätete sich – wie so oft.



Chris Lowe: Tatsächlich? In Deutschland haben wir noch nie Probleme mit der Bahn gehabt. Das ist einer der Gründe, warum wir den Zug jedem Trip mit dem Flugzeug oder dem Bus vorziehen. Wir touren sogar auf Schienen.



Sie fahren aber schon 1. Klasse in einem separaten Abteil, oder?



Neil Tennant: 1. Klasse ja, aber wir haben kein eigenes Abteil. Wir sitzen da immer neben den Geschäftsleuten, die permanent in ihr blödes Handy quatschen.



Die Pet Shop Boys sind ein britisches Electropop-Duo. Der internationale Erfolg kam Mitte der 1980er Jahre mit Hits wie „West End Girls. Seit 1986 hat die Band 42 mal die Top 30-Single-Charts erreicht.



Eigentlich wollte ich das Interview ja damit beginnen, Ihnen zu erzählen, dass ich immer an Schokoriegel denken muss, wenn ich Ihre Songs höre.



Tennant: Ist das so? Wieso das?



Als Sie 1986 den Song „Suburbia“ veröffentlicht haben, war ich neun Jahre alt und des Englischen noch nicht sonderlich mächtig. In dem Stück gibt es eine Textpassage, in der es heißt: „Let’s take a ride and…“. Ich habe allerdings immer verstanden: „Let’s take a Raider“ – der Schokoriegel.



Tennant: Das ist ja cool! Wieso hat uns Mars Inc. damals nicht gefragt, ob sie den Song als Jingle benutzen dürfen (lacht)?



Wissen Sie von anderen Geschichten im Zusammenhang mit Ihren Songs?



Tennant: Es gibt auf jeden Fall viele Menschen, die sich bei unserer Musik kennengelernt und später auch geheiratet haben. Ich weiß sogar von einem Paar, das sein erstes Kind nach uns benannt hat: Neil-Christopher. Lowe: Brrrr.



Auf Ihrer neuen Platte gibt es einen Song namens „Ego Music“. Wie egoistisch sind Sie?



Tennant: Die Pet Shop Boys sind eine Anti-Ego-Band. In dem Song nehme ich die Rolle des egozentrischen Popstars an und beschreibe die junge Popstar-Generation, die ständig bloß von sich selbst singt – und zwar in einer sehr selbstverliebten Art und Weise. Das ist nicht unser Stil.



Sie sind immer Ihren eigenen Ideen gefolgt. Ist das nicht auch eine Form von Egoismus?



Lowe: Das ist eher eine Form von Selbstverwirklichung. Tennant: Und von Integrität; Dinge so zu tun, wie man sie tun will. Wir laufen keinen Trends hinterher wie viele andere Leute. Von seiner Attitüde hatte Punk immer einen großen Einfluss auf uns. Es ging immer darum auszudrücken, was man fühlt, ohne sich dabei verstellen zu müssen. Lowe: Ein Popstar ist heutzutage nicht mehr das, was man zu unserer Zeit darunter verstanden hat. Das Anforderungsprofil hat sich stark verändert. Heutzutage macht ein Popstar nicht mehr nur Musik, sondern auch Klamotten, Parfums. Wir machen Platten, verkaufen sie und gehen auf Tour. Sehr altmodisch.



Herr Lowe, Sie haben erwähnt, dass Sie gern häufiger auf Hochzeiten spielen würden. Warum?



Lowe: Ach, wir stehen grundsätzlich erst einmal für alles zur Verfügung. Hochzeiten, Bar Mitzwas, Möbelhauseröffnungen – wir sind uns für nichts zu schade. (lacht) Tennant: Am verrücktesten war vor Jahren mal ein Engagement in Moskau, wo wir anlässlich des zehnjährigen Jubiläums einer russischen Milchproduktionsfirma gebucht wurden. Als wir dort ankamen, sagte man, wir wären die Überraschung des Abends. Als wir dann in diesem riesigen Ballsaal auf die Bühne gingen, befanden sich dort etwa 70 Leute, von denen mindestens 40 stockbesoffen auf den Tischen lagen. Vor der Bühne standen dann die restlichen 30 Leute, die erst an einen Scherz dachten, als wir als Pet Shop Boys angekündigt wurden. Das war wirklich das obskurste Konzert, das wir je gegeben haben.

Taken from: Westdeutsche Zeitung
Interviewer: Daniel Schieferdecker