Schau ja nicht begeistert drein

Elektropop-Revival: Mit ihrer neuen CD ‘Yes’ kehren die Pet Shop Boys zu ihrem typischen Sound zurück. Und inspirieren so viele Newcomer.




Die Magie kam mit Tschaikowsky. Lange hatten die Pet Shop Boys an dem Song ‘All Over The World’ gebastelt, aber weder Sänger Neil Tennant noch Keyboarder Chris Lowe mochten das Ergebnis. ‘Es fehlte etwas’, erklärt Tennant im KURIER-Gespräch. ‘Deshalb haben wir den Gesang wieder weggenommen und Chris hat eine Sequenz aus ‘Der Nussknacker’ über den Beat gespielt. Und als ich die neue Melodie darüber gesungen habe, wussten wir, jetzt haben wir etwas Spezielles.’




Etwas, das er nicht erklären kann, nur spürt, wenn es da ist. Magie eben. Mit dem zehnten Album ‘Yes’ hat das Londoner Duo sie wiedergefunden, kehrt damit nach den düstereren, lauen Alben ‘Release’ und ‘Fundamental’ wieder zum Sound von Welthits wie ‘Go West’ und ‘It’s A Sin’ zurück.




Besessen




Entstanden ist die ‘Rückbestätigung der Pet Shop Boys’ (daher der Titel ‘Yes’) in der Hitfabrik von Kylie-Minogue-Produzent Brian Higgins. ‘Er war besessen davon, dass wir einen Hit haben’, sagt Tennant. ‘Das war eine gute Kombination. Denn Chris und mir ist das eigentlich egal. Wichtiger ist uns, dass die Songs Bedeutung haben.’




Tennants oft politische, ironisch die Gesellschaft beobachtende Texte – gepaart mit monotonem Vortrag – machte das Duo in den 80er-Jahren zu Kult-Idolen. Erfunden haben sie das Image der indifferenten Langweiler bei ihrem ersten Auftritt bei Top Of The Pops mit ‘West End Girls’: ‘Als die Kamera auf mein Gesicht schwenkte, zischte Chris mir zu: ‘Schau ja nicht begeistert drein.’ Wir hatten vorher darüber gesprochen, dass wir uns von anderen abheben, unsere eigene Welt schaffen müssen.’




Ausgestattet haben die Pet Shop Boys ‘ihre Welt’ mit Kunst und Kultur. Einerseits weil Lowe, ein ehemaliger Architekturstudent, Design-Liebhaber ist. Andererseits, weil Bücherwurm Tennant überzeugt ist, dass Pop bei aller Unterhaltung auch bildend sein kann und soll.




Zeitdokument




‘Viele Leute haben von der Architektin Zara Hadid erst gehört, als sie eine unserer Shows gestaltet hat. Und gestern hat mir ein Australier erzählt, dass er Gerhard Richter nur kennt, weil ich ihn in unserer neuen Single ‘Love ect.’ erwähne.’ Tennant versteht Pop als bunt ausgestaltetes Zeitdokument, hat die Verbindung von Glamour, Spaß und Bedeutung in den letzten Jahren aber schmerzlich vermisst.




Pop von heute ist für den 54-Jährigen ‘seichte Fahrstuhlmusik’ von Leuten, ‘die sich damit abgefunden haben, nur Marketing-Werkzeuge zu sein’.




Untergrund




Den Grund dafür sieht er im Fehlen von Subkulturen. ‘Früher bekam die Musik-Szene viele Impulse aus dem Untergrund. Es gab Skinheads, die New Romantics und Punks. Aber heute gibt es keine Ideologien mehr und somit auch keine Abgrenzung. Es ist ganz normal, Metallica, Hip-Hop und Dido gleichzeitig zu mögen.’




Pop ortet Tennant heute in Bands wie Franz Ferdinand: ‘Sie nennen sich Alternative, sollten aber Pop sein. Denn sie reflektieren, was vorgeht und sind sehr populär. Und das ist ja das, was Pop eigentlich bedeutet.’

Taken from: Kurier
Interviewer: Brigitte Schokarth