Rammstein ist doch ganz lustig

Ein Gespräch mit Chris Lowe von den Pet Shop Boys




Die beiden Engländer Chris Lowe und Neil Tennant bilden seit mehr als zwei Jahrzehnten eines der erfolgreichsten Duos der Popgeschichte, die Pet Shop Boys. Jetzt kommen sie wieder zu Konzerten nach Deutschland.




Ihr aktuelles Album ‘Fundamental’ ist schon im letzten Jahr erschienen. Warum kommen Sie erst jetzt nach Deutschland?




Wir sind in diesem Jahr schon einige Zeit unterwegs. Im Herbst waren wir in Nordamerika und Mexiko, sind jetzt in Südamerika und Australien gewesen. Und nun geht es in Europa weiter. Es ist irgendwie eine ‘never ending Story’. Wir überlegen gerade, ob wir noch Japan und vielleicht China dranhängen.




Früher hatten Sie für Liveauftritte nicht viel übrig. Ihre Einstellung hat sich offenbar geändert.




O ja. Schon komisch, weil wir uns selbst nie als Liveband sahen, sondern dachten, wir sind Songwriter, die Aufnahmen im Studio und allenfalls noch Videos machen. Doch dann wurden wir Anfang der Neunziger eine Tourband, und es gefiel uns. Ein paar Jahre später waren wir dann der Headliner beim Roskilde-Festival. Von da an waren wir auch noch ein Festivalact. Aber es ergab sich alles so, wir haben nicht darauf hingesteuert.




Zumal Sie im Studio weitaus mehr machen, als nur Songs zu schreiben. Die Pet Shop Boys haben sich ja auch mit Remixen anderer Bands einen Namen gemacht.




Ja, wir planen nie zu weit in die Zukunft, das ermöglicht uns, spontan zuzusagen, wenn wir auf interessante Projekte stoßen – wie bei unserer Vertonung für Sergej Eisensteins Film ‘Panzerkreuzer Potemkin’ vor ein paar Jahren. Das klang so interessant, da waren wir gleich überzeugt. So etwas bringt dich mal schön weit von der Rolle weg, nur ein Popmusiker zu sein. Aber wir mögen noch immer sehr die Dancemusik und das Produzieren von Remixen. Besonders, wenn ein Song so richtig deine Nerven trifft.




Was ist interessant daran, Songs von anderen Künstlern neu einzuspielen? Den Song besser zu machen?




Als Erstes kannst du sehen, wie gut ihr Songwriting war (lacht). Welche Sounds benutzen sie, wie ist die Songstruktur – das ist fast schon eine Art Wissenschaft. Remixe zu produzieren ist sehr schwierig, und es dauert ziemlich lang, bis wir sie hingekriegt haben. Aber es ist oft auch spannend, wie bei unserer Einspielung für Rammstein.




Von deren Lied ‘Mein Teil’ haben Sie zwei neue Varianten gemischt. Was ist gerade an dieser Band so spannend?




Nun, Rammstein kannte ich erst gar nicht, weil die hier nie im Radio gespielt werden. Ich musste mir erst mal deren CDs besorgen. Aber wir dachten, das Lied ‘Mein Teil’ ist lustig. (lacht)




Die Band Rammstein – und insbesondere dieser Song – hat in Deutschland einen sehr zwiespältigen Ruf, vor allem wegen der Naziästhetik, mit der sie kokettiert.




Tatsächlich? Oh! Ich ging davon aus, dass das ein kleines bisschen ironisch wäre. (lacht)




Ironisch?




Das ist es ganz und gar nicht, was?




Nein.




Oh je. Das habe ich wohl offenbar gründlich missverstanden.




Welchen Stellenwert hat bei Ihnen die Bühnenästhetik? Einen zentralen – oder zählt in erster Linie die Musik?




Beides. Wir haben uns schon immer stark mit den visuellen Aspekten der Konzerte beschäftigt. Schon unsere ersten Shows wurden von dem Filmemacher Derek Jarman gestaltet. Auch danach haben wir immer mit einem Stagedesigner gearbeitet. Das visuelle Element zählt schon, aber natürlich ist die Musik das Essenzielle.




Sie sprachen an, dass man Rammstein in England nie im Radio hört. Wie bekannt sind auf der Insel andere deutsche Bands?




Nun, von der deutschen Musik wird in England in erster Linie Dancemusik wahrgenommen, insbesondere im Bereich Electro und Minimal Techno. Und es gibt außerdem eine Menge gute Underground-Dancelabels in Deutschland, Kompakt zum Beispiel.




Welche andere deutsche Band würden Sie gerne remixen?




Hmm . . .




Die Einstürzenden Neubauten?




Oh, das klingt interessant.




Kraftwerk?




Ich liebe Kraftwerk! Aber wo willst du da ansetzen? Die klingen so perfekt, ich wüsste nicht, was man deren Songs noch hinzufügen könnte. Nein, die Musik von Kraftwerk ist bereits perfekt.




Ist Kraftwerk die beste deutsche Band?




Ohne jeden Zweifel! Ich erinnere mich, wie ich als Student das erste Mal ‘Autobahn’ hörte. Ich konnt’s gar nicht glauben, so etwas hatte ich noch nie gehört. Kraftwerk ist die Referenzband. Und sie hat mich jedes Mal begeistert, wenn ich sie live gesehen habe.




Gehen Sie häufig zu Konzerten?




Ja. Wir spielen ja auf vielen Festivals, allein dadurch sehe ich viele andere Bands live. Zuletzt habe ich mir die Killers angeguckt, heute Abend gehe ich zu den Arctic Monkeys, wenn ich Tickets bekomme. Hoffentlich! Ich komme ja eigentlich eher aus der Dance-Ecke, aber in letzter Zeit gibt es wirklich sehr viel gute Rockmusik. Sehr gute songbasierte Rockmusik, auf ihre Weise fast schon Pop. Interessant in vielerlei Hinsicht.




Bei Ihrem Auftritt jetzt spielen Sie in einer für Ihre Verhältnisse recht kleinen Halle.




Waren wir denn überhaupt schon mal in Stuttgart?




Oh ja, mehrfach.




Alles klar. Stuttgart: das ist Porsche, nicht wahr?




Ja.




Ich liebe ihren neuen Cayenne. Hoffentlich lesen die das hier, und ich bekomme einen geschenkt.

Taken from: Stuttgarter Zeitung
Interviewer: Jan Ulrich Welke