Quadratisch, elektronisch, gut

Ihre Ecken und Kanten zeigen die Pet Shop Boys im Theaterhaus schon bevor der erste Ton erklingt. Eingekastet in quadratische Hüte betreten Sänger Neil Tennant und Keyboarder Chris Lowe die Bühne und erheben das Rechteck zur bestimmenden Form des Abends. Sie positionieren sich vor zwei riesigen Würfeln, auf denen Videos laufen mit Tänzern, die kunstvoll zu Pixeln zerfallen. Auch musikalisch sind die Herren alles andere als abgeschliffen. Mit ihrer neuen Platte »Yes« gehen sie in eine deutlich elektronischere Richtung.




Durch die Hinwendung zum Club-Sound mit mehr Fokus auf dem Mischpult als auf der Stimme treten die Pet Shop Boys noch stärker als bisher hinter ihrem Werk zurück. In den neuen Videos kommen sie am Rand als verfremdete Comic-Figuren vor, auf der Bühne ist die Show der Star.




Lowe zaubert gewohnt stoisch an seinem Mischpult, Tennant übernimmt die Rolle eines kühlen Zeremonienmeisters, auf dessen Wink die Riesenwürfel in ihre (quadratischen) Einzelteile zerspringen, Frauen in Abendkleid und Kiste auf dem Kopf paartanzen oder Helfer pusten Glitzerkram mit dem Laubgebläse ins Publikum.




Dank dieser Strategie haben die Pet Shop Boys kein Gesicht. Im Kopf der Fans sind unter dem Namen der Band vorrangig einige der kunstvollsten Videos der Musikgeschichte abgespeichert. Sowie ein Sound, der sich zwar seit Anfang der 80er stark verändert hat, aber einem ganz besonderen und nahezu unverwechselbarem Grundmuster folgt. Dadurch wird es für die Band zu keinem Problem, dass ihre beiden Köpfe altern, ihre Musik sich aber verjüngt.




Stimmung vom ersten Ton an




Dabei machen sie auch vor ihren großen Hits nicht halt. Dramaturgisch geschickt verteilen sie »It’s a sin«, »Go west« (mit Aerobic-Einlage) und »Always on my mind« über den Abend. Und obwohl man als Fan die Songs unterbewusst eigentlich so hören will wie im Autoradio, gehen die Live-Elektro-Experimente in natura sogar noch mehr ins Ohr: Die Pet Shop Boys gehören zu den wenigen Künstlern, bei denen die Stimmung schon vom ersten Ton an auf dem Siedepunkt ist. Weil erst auf der Bühne ihr Schaffensprinzip voll zum Tragen kommt. Sie vereinen alles – Minimalismus (kaum Ausstattung) und Bombast (trotzdem bunte und einfallsreiche Show), Disco-Sound und (unaufdringliche) gesellschaftspolitische Aussagen von Homo-Ehe bis Konsum, sie sind Melancholie und Hedonismus.




Entsprechend breit gefächert ist das Publikum und dessen Gründe für die flirrende Euphorie. Nur die Pet Shop Boys wahren kühle Distanz. Alles andere sähe vielleicht auch wie Abschied aus. So gehen die Leute mit dem guten Gefühl, dass es ewig weitergehen kann.

Taken from: GEA.de
Interviewer: STEFFEN BECKER