Arme Jungs. Fürchterlich heiß muß es doch sein unter diesen Knautschlack-Klamotten und gelben Parücken, die kein bisschen Kühlung gestatten. Was tut man nicht alles fürs Image! Spätestens als Neil Tennant zum wiederholten Mal vergebens hinter seiner geschwärzten Brille einen Fragesteller im Publikum zu fixieren sucht, wird klar, dass der Promotion-Gag der Pet Shop Boys anlässlich der pompösen Präsentation ihres neuen Albums ‘Nightlife’, keine Zustimmung findet.
Ein Staatsbesuch der mittleren Sicherheitsstufe hätte nicht besser organisiert sein können. Großer Bahnhof für eins der größten Duos in der jüngeren Popgeschichte. Doch das Gespräch mit den Journalisten kommt nur mühsam in Gang. Liegt es an der schlechten Luftzufuhr oder schlicht daran, dass die beiden Herren keine Lust haben, sich den Fragen der Presse zu stellen? Immerhin ist zu vernehmen, dass man sich dem Prinzip Provokation verpflichtet fühlt. ‘Das gelbe Haar soll eigentlich eine Referenz an die Punk-Bewegung sein, denn ich glaube, ein wenig Punk würde der ganzen Musikindustrie gut tun’, so Tennant, der mehr oder minder willig den Redepart übernommen hat, da sein Partner Chris Lowe sich fürs beharrliche Schweigen entschied.
In den letzten Jahren hatten sich die Pet Shop Boys eher rar gemacht mit Live-Auftritten. Sie zehrten vom Ruhm vergangener Tage, als ein Song wie ‘West End Girls’ 24 Millionen Käufer fand. Um so überraschender dann die Ankündigung einer Welttournee: ‘Vor fünf Jahren waren wir zuletzt unterwegs, in Südamerika und Australien, und wir fanden es auf Dauer dann doch zu langweilig, zu Hause zu sitzen und nur langweilige Interviews zu geben’, so Tennant. ‘Wir mögen die Abwechslung, die Wandlung, davon lebt ja der Pop, deshalb erfinden wir uns alle drei Jahre neu. Unsere Show soll demnach auch etwas Neues enthalten.’
Nach dieser Eigen-Präsentation, die zwischen Kunst und Kitsch lavierte, darf man auf die Konzerte gespannt sein. Für das Bühnenbild verpflichteten Tennant und Lowe die Architektin Zaha Hadid, ‘eine Dekonstruktivistin, bitte ersparen Sie mir zu erklären, was das genau ist’, so Tennant in einem Anflug von Offenheit. Wurden in früheren Shows die Songs wie kleine Opernarien inszeniert, so entschied man sich nun für ein abstrakteres Setting. Dabei werden die Backgroundsänger ins Schwitzen kommen, denn denen bleibt es überlassen, nach jedem Song die Dekoration zu ändern. Musikalisch wollen die beiden Hoheprister der Dance-Bewegung all das auffahren, wofür sie immer noch geliebt werden. So sind Songs vom ersten Album ‘Please’ zu hören, allerdings neu arrangiert. Ob die Kampfansage gegen latente Langeweile aber auf dem neuen Album gelungen ist, darf zumindest bezweifelt werden. Den neuesten Trent repräsentiert ‘Nightlife’ jedenfalls nicht. Oder sollten wir uns wieder mal gewaltig irren?
Taken from: Live in Concert vom November 1999
Interviewer: Tom Fuchs