Glamour im Kleinformat

Die Pet Shop Boys im Volkshaus – Review




Die Pet Shop Boys vor gut zwei Jahren in der Basler St.-Jakobs-Halle: karnevalistisch kostümierte Comicfiguren mit gefärbten,

toupierten Frisuren, die sich vor einer bunt bebilderten Videoanlage auf der futuristischen schrägen Bühne der Stararchitektin

Zaha Hadid in Szene setzten, unterstützt von Chorsängern und Tänzern. Die Pet Shop Boys am Samstag im Zürcher Volkshaus: zwei

abgeklärte Musiker in dezenten dunkeln Kleidern, die, begleitet nur von einer Rockband, auf Showeffekte fast ganz verzichten.

Gewiss, das Volkshaus war ausverkauft. Dass es die beiden glamourösen Briten, der Sänger Neil Tennant und der Keyboarder Chris

Lowe, nicht mehr ins Stadion schafften, scheint aber auf eine fallende Erfolgskurve hinzudeuten. Oder entspricht es ästhetischem

Kalkül?



Die Schultern hochgezogen, der Kopf in der Schräge, die rechte Hand am Mikrophon, der linke Arm pastoral ausgebreitet – in seiner

charakteristischen Pose sang Tennant als Erstes ‘Home And Dry’, den Opener des neuen Albums ‘Release’: ein runder, transparent

instrumentierter Popsong, der in klaren Worten und in einem eingängigen Refrain häusliche Gemütlichkeit suggeriert. Diese neue,

intimere Musik, in der die Pet Shop Boys synthetische Dance-Beats mit rockigen Klängen erden, findet kaum mehr ein grosses Publikum

und passt überdies an sich schon besser in den Klub als in die Sportarena. Entsprechend schlicht war zunächst auch die Lichtregie,

die als einziges ergänzendes Gestaltungsmittel auf Schwarzweiss setzte: Die zumeist statischen Scheinwerfer schafften Lichtungen

auf der Bühne, zeigten die Musiker in hell umrandeten Silhouetten, bisweilen projizierten sie überdies technoide Blumenformen auf

den oberen Bühnenfond. Nach zwanzig Minuten erst spien die Lampen Farbe in den Raum. Und zur Freude des Publikums gab es nun auch

musikalische Abwechslung.



Die von Beginn weg ausgelassenen Fans quittierten die neuen Stücke der Pet Shop Boys zwar mit wohlwollendem Applaus. Aber sie wollten

schliesslich auch feiern, und also mussten einige Smasher her – ‘West End Girls’ beispielsweise, ‘You’re Always On My Mind’ und ‘New

York City Boy’. Nun zuckten die Lichtkegel in immer verschiedeneren Farben, es stampften die Beats, es federten die Bässe, akustische

und elektrische Sounds fluteten aus der Anlage und mischten sich zum hymnischen Fest. Leider litt die Konzentration. Die Sounds ab

Konserve sprudelten aus den Fugen der Live-Musik. Und aus Tennants ohnehin dünner Stimme schwanden Hingabe und Kraft, so dass die

parolenartigen Worte der Songs sich plötzlich wie Papierschiffchen im üppigen Klang ausnahmen. Dennoch konnten die Pet Shop Boys,

die dem Publikum mit professioneller Freundlichkeit begegneten, das Zürcher Konzert als Erfolg verbuchen: weil es ihnen gelang, Spannung

zu schaffen zwischen alter und neuer Ästhetik, zwischen Party und Intimität. Als letztes Stück – vor dem Zugabenteil – spielten sie wie

erwartet die Stadionhymne ‘Go West’. Für den musikalischen Höhepunkt aber hatten sie zuvor gesorgt: eine Bühne getaucht in die

Unendlichkeit des Sternenmeers, von rechts und von links oben fällt Licht einzig auf den Kopf des Sängers; ein Gitarren-Intro im

Sechs-Achtel-Takt, in das plötzlich Tennants Monolog einbricht: ‘Love is a catastrophy . . .’

Taken from: Neue Züricher Zeitung
Interviewer: Ueli Bernays