Das Design bestimmt das Bewusstsein

Die Briten wirken in München so,


als wollten sie sich verstecken.




Es ist ein bisschen wie damals bei der ‘P 14’-Sonntagsdisco. Da steht man nun Schlange vorm ‘Haus Auensee’ und will ein Stück

vom glamourösen Disco-Nightlife erhaschen, aber angesichts des strahlend hellen Tages verblasst jede Spiegelkugel-Atmosphäre.

Selbst im Saal lässt sich das Sonnenlicht, das zwischen die Fenstervorhänge fällt, nicht ignorieren. Wer, bitte schön, geht

denn auch 20 Uhr schon zum Tanzen? Kids, die drei Stunden später wieder zu Hause sein müssen. Oder alte Fans der Pet Shop Boys.


Obwohl das Publikum kreischt, obwohl Musiker zu Gitarren, Keyboards und Trommelstöcken greifen, obwohl Sänger Neil Tennant

deutlich zu sehen und zu hören ist, wirkt dieser Abend irgendwie unwirklich. Wie ein Live-Film. Fast alle Akustik-Instrumente

versinken im zuckersüßen Brei aus Keyboardflächen, Digitalgeigen und Step-Aerobic-Grooves. Chris Lowe macht, abgesehen vom Tasten

drücken, genau das, was er in allen Videos macht: nichts. Und Tennant spielt bis auf den für seine Verhältnisse schon aufdringlichen

Satz ‘Hallo Leipzig!’ wie immer die Rolle des zurückhaltenden Pop-Ästheten. Keine Geste, keine Bewegung, kein ‘Yeah!’ zu viel.

Haltung ist alles. Das Design bestimmt das Bewusstsein.


Die Pet Shop Boys zelebrieren Coolness und sie dürfen das. Weil ihr Programm hält, was andere Anbieter der Beschallungsindustrie

nur versprechen: Jeder Song ein Hit. ‘West End Girls’, ‘Its A Sin’, ‘Domino Dancing’… Wenn das Licht flackert, der Beat stampft

und der Bass Hüften kreisen lässt, dann hat die Band ihre großen Momente, wogt vor ihr ein Meer aus klatschenden Händen, tanzen

die Fans bis ins Foyer. Aber unverwechselbare Magie, wie sie beispielsweise die Popper von Depeche Mode zaubern, gibt es bei

den Pet Shop Boys nicht, jedenfalls nicht live. Dafür angenehme Sommernachtsdisco.

Taken from: Leipziger Volkszeitung
Interviewer: Peter Krutsch