Neil Tennant und Chris Lowe, 51 und 46 Jahre alt
kommen auf ihrem neuen Album ‘Fundamental’ wieder
so knackig und verspielt rüber wie in den frühen 90ern
– jedoch ungleich nachdenklicher.
Im Song ‘Casanova In Hell’, lieber Neil Tennant. singst du über Probleme mit der Manneskraft. Was geht da vor?
NeilTennant: Ich wollte etwas singen, das nicht jeder in einem Popstück singt. Ich dachte darüber nach, wie es (für jemanden wie Casanova sein muss. wenn er seine Potenz verliert und die Frauen nicht mehr so auf ihn stehen.
Eure Single ‘l’m With Stupid’ handelt von Bush und Blair. Ihr stellt euch vor, die beiden haben eine Affäre, oder?
Neil: Ja. Sie benutzen die gleiche Zahncreme, nicht wahr? Blair kopiert Bush.
Chris Lowe: Das hal er aber schon bei Clinton gemacht.
Neil: Stimmt. Diesen Powerwalk (steht auf und macht ein paar staksige Schritte). Im TV sieht das super aus. Da geht es ja nicht um politische Inhalte, sondern nur noch um Bilder.
Chris: Ein Freund von uns hat eine Dokumentation über die Körpersprache von Blair und Bush gedreht. Bush hat klar gewonnen, der läuft auch gleich viel machtbewusster.
Neil: Aber die Körpersprache mit der größten Power hat unbestritten die Königin von England. Niemand reicht der Queen das Wasser.
Chris: Der Klassiker ist: Wer geht als letzter durch die Tür? Bush hat es geschafft, selbst in Downing Street No. 10 hinter Blair rauszugehen. Und darum geht es in diesem Song: Um die Macht des Mannes.
Was macht Macht mit Männern?
Neil: Macht macht Männer sexuell attraktiv. Obwohl: Das gilt auch für Frauen. Selbst Maggie Thatcher galt lange Zeit als sexy. Mitterand sagte über sie, sie habe die Augen einer Marilyn Monroe. Auch Angela Merkel hat sich ja ordentlich aufgebürstet, die kann man sich jetzt echt angucken.
Sind denn Tony und George attraktive Männer?
Neil: Hmm, nein. Beides sind nicht meine Typen. Sicherlich nicht Blair. Und Bush? Nee Bush auch nicht. Der einzige attraktive Spitzenpolitiker ist Wladimir Putin.
Wie bitte? Meinst du das jetzt im Ernst?
Neil: Naja, ja. Der hat was. Also ich würde ihm in keiner Weise vertrauen. Aber ich würde absolut ein Glas Wodka mit ihm trinken. Der Kerl ist eine Schlange, aber eine attraktive Schlange.
‘Luna Park’, also Vergnügungspark heißt ein weiteres Stück. Worum geht es da?
Neil: Die Idee dazu hatte ich, als ich ‘Bowling for Columbine’ gesehen hatte. Der Anfang ist brillant, der Rest Hollywood-Schmalz. Aber ich mag diesen Teil, in dem Michael Moore sagt, die Kultur und die Gesellschaft seien auf Angst aufgebaut. Ich war immer fasziniert von Luna Parks, da steckt ja auch das Wort ‘verrückt’ (engl. lunatic) drin. Mich erinnert dieses Unheimliche, Dunkle ans Amerika der Bush-Ära: Leute verrückt machen, von diffusen Bedrohungen schwafeln und Bürgerrechte zerstören.
Hört sich ja an wie ein totalitäres Regime…
Neil: So ist es auch. Im extremen Faschismus ist der Staat vom Militär geprägt und beherrscht, denn das fördert stets die Wirtschaft. Um einen Staat jedoch militärisch zu führen, brauchst du deinen Feind im Inneren und im Äußeren.
Hat der Albumtitel ‘Fundamental’ auch etwas mit diesen Ansichten zu tun? Oder bezieht er sich eher auf Musik?
Neil: Sowohl als auch. Wir machen wirklich Fundamentalpop. Extrempop. Es ist auch ein gutes Wort. Ich mag es so ein grimmiges Wort auf dem Albumcover in Neonfarbe abzubilden. Das ist Showbiz.
Ihr ward immer ganz gut darin, musikalische Stimmungen und Trends aufzugreifen. Welchen Trend wollt ihr mit ‘Fundamental’ setzen?
Neil: Epischen Pop. Niemand macht das mehr. Ich kann mir ja wirklich vorstellen, wie Pete Doherty (Ex-Libertines) ein großes Konzept-Popalbum macht. Seine Songs haben immer mehr Potenzial als das was er abruft. Ein genialer Sänger, tolle Stimme. Aber ich fürchte, Doherty will das so.
Zu euren kommerziellen Chancen: Wollt ihr auch wieder Nummer eins werden?
Chris: Man denkt schon daran, aber man will nicht spekulieren.
Neil: Uns gibt es seit langem. Und jedes Mal wird es schwieriger. Aber diese hier ist mal .. jeden Fall die am besten rt sierte Platte, die wir je gemacht haben. Da haben wir auch einiges unserem Produzenten Trevor Horn zu verdanken. Wir konnten uns ganz auf diese Sache konzentrieren, auch Trevor hatte viel Spaß, wir haben ihn sich austoben lassen. Und hatten selbst eine Menge Spaß dabei.
Taken from: WAZ
Interviewer: Steffen Ruth