‘Bilingual’: Neue Datenfahrten mit den Pet Shop Boys
Das keyboardzentrierte Pop-Duo Pet Shop Boys bleibt seinen Vorlieben treu. Auch das neuste Album verbindet synthetische Zukunfts-Schalmeien mit nostalgischer Rückschau auf die Errungenschaften der Disco-ära.
‘Bilingual’ heisst das jüngste Gewächs aus der Tierhandlung, und zweigleisig fährt vieles bei dieser Band: Chris Lowes wohlgelaunte Keyboardlandschaften kontrastieren zur melancholischen Aura von Neil Tennants Texten. Die laszive Technizität, die ihren Sound ausmacht, widerlegt die traditionelle überschaubarkeit der Songstrukturen. Kaum eine andere Band trägt auch die symbolische Ordnung der britischen Schwulenbewegung so unverblümt in Mainstreamgefilde hinein. Und ihre Anhängerschaft rekrutiert sich gleichermassen aus Tanzbein- wie aus Analysewütigen.
Die musikalische Innovation, meint Sänger Neil Tennant im Interview, gehe in unserem Jahrzehnt ausschliesslich von der Dance-Musik aus. Entsprechend schlingert jeder Song über tanzbare Beats, die an die Feinmuskulatur appellieren. Darüber aber sprudeln digitale Klangkaskaden, schillern grelle Verheissungen, modert gedämpfte Verführung – Latex für die Sinne.
Neu sind auf ‘Bilingual’ vor allem die südamerikanischen Einflüsse auf Harmonik und Rhythmus einzelner Songs sowie die dazugehörigen Spanischfetzen in den Refrains. Beides weichgebeizt im Samplingbad der Postmoderne. Ausserdem bringt das Album mit ‘Saturday Night Forever’ den vielleicht schönsten hymnischen Abgesang, den die Boys je auf ihr Lieblingsthema Disco-Kult gehalten haben.
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Interviewer: Thomas Kramer