Haut das HAU raus

Die Pet Shop Boys werden kommende Woche

ihr neues Album exklusiv im Hebbel am Ufer

in Berlin vorstellen – an einem öffentlichen Ort,

mit dem Geld der Telekom




Die Pet Shop Boys sind eine überaus erfolgreiche Popband. Das Electropop-Duo gehört mit mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten Künstlern der Musikgeschichte.


Electronic Beats ist das internationale Musiksponsoring-Programm der Deutschen Telekom. Electronic Beats ist auch der Name des bei Burda (Bunte) erscheinenden Kundenmagazins der Deutschen Telekom. „Electronic Beats Magazine is a division of the Telekom Electronic Beats Music Sponsoring Program“, heißt es im Impressum der Zeitschrift.


Das HAU ist die 2003 aus dem Hebbel-Theater, dem Theater am Halleschen Ufer und dem kleinen Theater am Ufer gebildete Off-Bühne „Hebbel am Ufer“, die unter der Intendanz von Matthias Lilienthal zu einem der bedeutendsten Berliner Veranstaltungsorte „für junge, internationale, experimentelle und innovative darstellende Kunst“ (so die Selbstdarstellung auf der Website) wurde. Das HAU zeichnet sich nicht zuletzt durch einen ausgeprägten politischen und avantgardistischen Anspruch aus („Theater als soziale Attacke“, so Lilienthal noch unlängst im Interview mit der NZZ).


Für Prada singen

Und nun frohlocken die Vertreter des Telekom-Sponsoring-Programms: Am 5. September stellen die Pet Shop Boys ihr neues Album „im kleinen, exklusiven Rahmen im Hebbel am Ufer“ vor, veranstaltet von Electronic Beats, also mit dem Geld der Deutschen Telekom.


Natürlich haben reiche Popstars das Recht, noch reicher zu werden. Ob Neil Tennant wie letztes Jahr für Prada in Peking ein paar Lieder trällert oder jetzt in Berlin für die Deutsche Telekom – es wird der finanzielle Schaden der Band nicht sein. Neil Youngs Statement „Ain’t singing for Pepsi, ain’t singing for Coke“ aus den neunziger Jahren ist längst überholt. Der Ausverkauf geht immer weiter.


Es sei denn, man macht es wie der vor drei Monaten verstorbene Beastie Boy Adam Yauch, der nicht nur rappte „But I won’t sell my songs for no TV add“ (im Song Putting Shame in Your Game), sondern der auch in seinem Testament verfügte, dass „in keinem Fall mein Bild, mein Name sowie irgendeine Musik oder ein künstlerisches Eigentum, das ich geschaffen habe, für Werbezwecke verwendet werden darf“. Der eine zeigt Haltung, der andere macht eben alles mit.


Ausgeklügte Raumsuche

Und es soll an dieser Stelle auch nicht über die verquaste Inszenierung von Electronic Beats geurteilt werden, wonach sich „die Pet Shop Boys ganz bewusst für diesen Auftrittsort entschieden haben, denn das Theater zählt zu den angesagtesten Berliner Veranstaltungsorten für junge, internationale, experimentelle und darstellende Kunst“, wie es in der Promo heißt. Das ist die übliche Inszenierung der Kulturindustrie – es wird so getan, als ob sich Neil Tennant und Chris Lowe monatelang in Berlin in den verschiedensten Theatern und Off-Bühnen umgetan und etliche experimentelle Stücke studiert hätten, bevor ihre Wahl des Veranstaltungsortes schließlich auf das HAU fiel.


Die Wahrheit dürfte wesentlich prosaischer sein – da wird einfach der Chefredakteur des Telekom-Sponsoring-Magazins, der bis vor kurzem Chefredakteur von Spex war, den Musik-Kurator des HAU, der ebenfalls einmal ein paar Jahre Chefredakteur der Spex war, angerufen haben. Man kennt sich eben. Und fürs doofe Publikum erfindet man eine Genie-kultige Narration. Nebbich.


Das eigentliche Ärgernis, nein: der Skandal am von Electronic Beats und der Deutschen Telekom organisierten Auftritt der Pet Shop Boys im HAU ist die Tatsache, dass sich hier ein mit öffentlichen Mitteln, also vom Steuerzahler finanziertes und subventioniertes Haus als Abspielort für eine kommerzielle Veranstaltung an den Hals eines Telefonkonzerns wirft. Das HAU wird mit etwa vier Millionen Euro jährlich vom Land Berlin subventioniert und erhält zusätzliche Projektförderungen etwa vom Hauptstadtkulturfonds und der Bundeskulturstiftung. Mit welcher Begründung wird dieses öffentliche Haus einem Telefonkonzern für eine nichtöffentliche Werbeveranstaltung zur Verfügung gestellt? Eintrittskarten gibt es nicht zu kaufen, sondern nur über die Website von Electronic Beats zu gewinnen.


Natürlich, in Berlin ist das Alltag. Wer zahlt, kann jeden öffentlichen Platz haben: Imagevorteil gegen Miete. Also auch ein den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gehörendes Theater. Wem gehört diese Stadt, wem gehört der öffentliche Raum, wem gehören die öffentlichen Häuser Berlins? Es wird höchste Zeit, der Aneignung der Stadt und ihrer Institutionen durch die Konzerne entgegenzutreten. Die „Division of the Telekom Electronic Beats Music Sponsoring Program“ hat in einem der führenden Theater Berlins nichts zu suchen.

Taken from: der Freitag
Interviewer: Berthold Seliger