Freund & Feind

Auf dem neuen Album ‘Fundamental’ wettern die Pet Shop Boys


gegen Medien, Politik und Unterhaltungsindustrie


und machen trotzdem gute Musik.




Ein Interview mit Neil Tennant, 51, und Chris Lowe, 46, hat den Charme eines Kaffeekränzchens mit Mutter Beimer

und ‘Blond am Freitag’- Moderator Ralf Morgenstern. Tennant ist der extrovertierte Altschwule, Lowe der Schweiger

mit fast buddhistischer Gutmütigkeit – selbst dann, wenn sein Partner minutenlang die musikalische Ignoranz seiner

Landsleute beklagt (‘Wir leben ja sooo hinterm Mond’). Bis es um das neue Werk ‘Fundamental’ geht: das erste Album

der Briten nach vierjährigem Soundtrack- und Musical-Exkurs – und die Rückkehr zum ‘epischen Sound der Vergangenheit’,

wie Chris anmerkt. ‘Wir wollen den Leuten wieder das geben, was sie von uns erwarten und was wir mit den letzten

Platten vielleicht nicht getan haben’.



Da brachen sie aus vertrauten Bahnen aus, experimentierten mit südamerikanischen Rhythmen ( ‘Nightlife’) oder

homogeneren Klängen (‘Release’). Das wurde von der Kritik gefeiert, aber vom Konsumenten abgestraft. Deshalb

jetzt der Schritt zurück zum Bombast-Sound eines Trevor Horn, von dem Tennant schwärmt: ‘Wir lieben seine

Produktionen. ABC oder Frankie goes to Hollywood – tolle Popmusik. Um genau die ging es uns.’ Selbst wenn sie nur

ein trojanisches Pferd ist, mit dessen Hilfe die beiden kontroverse Ansichten verbreiten. Etwa im Opener

‘Psychological’, in dem sie Blair und Bush Manipulation der Medien vorwerfen, sie anschließend als Volltrottel

abstrafen (‘I’m with Stupid’). Dabei war Tennant ’97 noch ein glühender Verehrer von New Labour, spendete große

Summen zur Wahlkampffinanzierung und schlürfte Champagner in Downing Street No. 10. Was ihm heute peinlich ist:

‘Letztlich war es nur eine kleine Cocktail-Party, nichts Besonderes. Außer Mick Hucknall von Simply Red würde da

niemand mehr hingehen.’



Heute leben Tennant und Lowe anonym in London, um sich in aller Ruhe auf ihre Welttournee vorzubereiten, die sie

im Sommer auch nach Deutschland führt. ‘Es wird eine Show mit viel Licht und Projektionen. Ein echter Hingucker’,

meldet sich Chris zu Wort. Natürlich erst nach der WM, die er komplett vervolgen will: ‘Unsere Chancen waren noch

nie so gut wie bei diesem Turnier!’ Tennant lässt sich von der Euphorie nicht anstecken: ‘Ich werde am Tag des

Finales im Hyde Park ein Festival für alle Leute organisieren, die Fußball hassen.’ ‘Ich komme nur, wenn du das

Spiel auf einer Großleinwand zeigst’, hält Mutter Beimer dagegen und schüttet Tee nach. ‘Die Sandwiches sind

übrigens von gestern’, grinst Morgenstern,’die drehen wir dem nächsten Journalisten an.’

Taken from: Stereoplay
Interviewer: