Eines der erfolgreichsten Musik-Duos der Pop-Geschichte
meldet sich nach dreijähriger Pause zurück:
Mit Nightlife ist den Pet Shop Boys wieder mal
ein grandioses Album gelungen
Vor ein paar Wochen hatte Neil Tennant einen Termin, vor dem er sich ein bisschen fürchtete. Der Sänger der Pet Shop Boys musste zum Ohrenarzt. Gerade hatten die Pet Shop Boys die Aufnahmen zu ihrem Album ‘Nightlife abgeschlossen, eine große Tour durch Europa war geplant, da kam die Diagnose wie ein Segen: Neil Tennant, immerhin schon 45, hört immer noch so gut wie ein 18-Jähriger. Nicht schlecht für jemanden, der seit 1984 im Soundgewitter auf der Bühne steht und der bis heute zusammen mit seinem Kollegen Chris Lowe mehr als 24 Millionen Platten verkauft hat. Die Pet Shop Boys haben den kühlen Synthesizer-Sound der 80er Jahre mit Pop-Hymnen wie ‘West End Girls, ‘Rent und ‘Its a Sin geprägt und es auch noch mit Würde und Stil bis ans Ende der 90er Jahre geschafft. Das mag vor allem an ihrem genialen Gesamtkonzept liegen. Die Pet Shop Boys grübeln über jede Kleinigkeit: Darf man jenen Turnschuh mit gutem Gewissen tragen? Ist dieser Schrifttyp auf dem Album-Cover vertretbar? Diese Songzeile wirklich passend? MAX sprach mit Neil Tennant über perfekte Pop-Musik, Schüchternheit und Monica Lewinsky.
MAX: Irren wir uns, oder haben Sie gerade gelacht? Können Sie das überhaupt?
Neil Tennant: Ja, und? Was haben Sie denn erwartet?
Als Sänger der Pet Shop Boys sieht man Sie so gut wie nie lachen. Weder vom Cover eines Albums noch auf der Konzertbühne.
Sie müssen wissen, dass Sie sich gerade mit der Privatperson Neil Tennant treffen. Wenn ich die Bühne als Pet Shop Boy betrete, dann trage ich andere Kleidung, habe eine andere Rolle und schlüpfe in eine andere Identität.
Worin unterscheidet sich der Mensch Neil Tennant vom Sänger der Pet Shop Boys?
Neil Tennant würde nicht auf der Straße in gestreiften Samurai-Hosen rumrennen und dazu noch eine wirre, weiße Echthaarperücke tragen. Als Sänger der Pet Shop Boys trage ich solche Kostüme allerdings sehr gerne.
Warum?
Wissen Sie, ich bin eigentlich sehr schüchtern, ein fast ängstlicher Mensch. Der Prozess der Kostümierung hilft mir zu relaxen, wenn ich eine Bühne betrete. Ich fühle mich dann nicht wie ich, sondern wie der Sänger der Pet Shop Boys.
Sind Sie zu schüchtern, um vor Tausenden von Menschen zu singen?
So weit würde ich nicht gehen. Ich habe ein gesundes Selbstbewusstsein.
Warum dann die Kostümierung?
Die Pet Shop Boys wollten niemals real wirken. Von Anfang an haben wir versucht, uns immer wieder neu zu inszenieren. Schauen Sie nur unsere Alben an. Jedes Cover ein neues Styling. Es ist schade, dass die Technologie noch nicht so weit ist, sonst würden wir uns gerne durch Computer-Animationen auf der Bühne ersetzen lassen.
Das erzählen Sie schon seit Jahren. Wenn Ihnen der Job als Pet Shop Boy nicht so wichtig ist,warum kehren Sie dann jetzt nach dreijähriger Pause mit einem neuen Album zurück?
Ganz einfach. Ich und mein Kollege Chris haben in der Zwischenzeit ein paar wirklich gute Songs geschrieben. Die sollten alle Menschen zu hören bekommen und nicht nur unsere Freunde.
Das Album heißt ‘Nightlife. Erzählen Sie doch mal, um was es da geht.
Sehr verkürzt: um das Leben zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens.
Wie viel Zeit verbringt Neil Tennant noch im Nachtleben?
Ich war niemals der große Party-Gänger. Wenn es um die coolsten Clubs geht, müssen Sie mit meinem Kollegen Chris sprechen. Mein Nachtleben spielt sich zum großen Teil in Restaurants, im Theater und in Bars ab. Ich gehe mittlerweile lieber bei guten Freunden tanzen als in irgendwelchen Clubs.
Was war Ihre beste Party in der letzten Zeit ?
Ganz bestimmt der Geburtstag meines Freundes Ian McKellen. Dort spielten sie New Order, The Smiths, aber auch The Supremes. Das sind alles Bands, die ich sehr gerne habe. Und stellen Sie sich vor, ich habe sogar getanzt, was wirklich selten ist bei Neil Tennant.
Haben Sie da jemanden kennen gelernt?
Nicht wirklich. Aber Monica Lewinsky war auch auf der Party. Am Büfett schaute ich zu ihr rüber und sagte: ‘Hi, ich bin Neil Tennant. Ich dachte, sie würde mich nicht erkennen. Doch sie tat es und sagte, sie sei in den 80er Jahren der größte Pet- Shop-Boys-Fan in Los Angeles gewesen.
Die 80er Jahre waren auch Ihre erfolgreichste Zeit. Was setzen die Pet Shop Boys Ende der 90er Jahre gegen gnadenlosen Techno-Lärm, HipHop und Teenie-Pop?
Wir befinden uns in keinem Wettkampf. Mein persönlicher Lieblingssong auf ‘Nightlife heißt ‘New York City Boy und orientiert sich stark an dem Disco-Sound der Village People. Die hatten ihre erfolgreichste Zeit Ende der 70er Jahre. Trends interessieren mich wenig. Die Pet Shop Boys versuchen einfach nur, gute Popmusik zu machen. Das ist alles, was uns interessiert.
Mit Songs wie ‘West End Girls, ‘Rent und ‘Heart haben Sie zeitlose Pop-Hymnen geschaffen. Wie würden Sie einem Tauben einen gelungenen Pet-Shop-Boys-Song beschreiben?
Schwierig. Sagen Sie mir es.
Die Pet Shop Boys klingen nach Großstadt, nassem Asphalt, hemmungslosem Konsum und der Möglichkeit, wirklich alles haben zu können, was man will.
Gar nicht schlecht. Für mich ist ein Pet-Shop-Boys-Song eine Kombination aus Banalitäten, Modetipps, Spaß und Momenten unvorstellbarer Klarheit.
Wo befindet sich dieser Moment auf ‘Nightlife?
Nehmen Sie als Beispiel den Song ‘In Denial, ein Duett mit Kylie Minogue. Das Lied handelt von einem karrierebewussten, erfolgreichen Mädchen und ihrem Vater. Der ist schwul, trinkt und nimmt eine Menge Drogen. Sie bedrängt ihn deswegen, will sein Leben rumreißen, ohne zu begreifen, dass er sich für dieses Leben selbst entschieden hat.
Wie persönlich ist dieser Song für Sie ?
Kylie Minogue ist nicht meine Tochter, ich trinke Wein nur in Maßen, und Drogen nehme ich keine. Alles andere müsste Ihnen längst bekannt sein.
Eine Frage noch: Wo ist eigentlich Ihr Kollege Chris, der auch zu diesem Interview kommen sollte?
Oh, der kommt ein bisschen später. Auf der Autofahrt hierher hat er plötzlich Hunger auf ein Frankfurter Würstchen bekommen. Da konnte ich ihn nicht mehr zurückhalten. Entschuldigen Sie bitte, aber die Gelegenheit musste er nutzen. Wir sind leider nicht sehr oft in Deutschland unterwegs.
Taken from: MAX
Interviewer: Hannes Ross