Quadratisch, praktisch, unerheblich






Die Besucher von Michael-Jackson-Konzerten waren – so konnte man es in den letzten Tagen öfters lesen – nach einem solchen Ereignis wie verwandelt, ja geradezu euphorisiert von Jackos Bühnen-Magie und den schier unglaublichen Tanzeinlagen. So wurden angeblich selbst die anfänglichen Peinlichkeitsbedenken auf der Stelle hinweggefegt.




Beim Konzert der Pet Shop Boys auf der Leipziger Parkbühne ist es leider genau umgekehrt: Dieses unaufdringliche Duo aus London hat vor allem in den 80er Jahren einige sehr kluge und sehr eingängige Pop-Songs geschrieben (man denke an ‘West End Girls’, ‘Suburbia’ oder ‘It’s a Sin’). Das Konzert vor rund 3000 Fans in Leipzig lässt einen aber eher ratlos zurück.




Dass die beiden nicht gerade für eine mitreißende Bühnenshow stehen, ist seit langem bekannt. Nicht zuletzt gilt Keyboarder Chris Lowe als der so ziemlich bewegungsfaulste Musiker der Welt: Der Mann macht zwei Stunden lang nichts anderes als Knöpfchen zu drücken und, in extrem euphorischen Momenten, ganz sachte mitzuwippen. Noch dazu versteckt er sich hinter einer Sonnenbrille und einem silberglänzenden Raumfahreranzug, den man vor 15 Jahren möglicherweise für cool gehalten hätte. Da das Publikum überwiegend über 40 und gutbürgerlich ist, fällt das hier nicht so auf. Ganz offensichtlich wollen viele der Anwesenden mit den Melodien der Pet Shop Boys Jugenderinnerungen wieder aufleben lassen. Den Nagel auf den Kopf trifft somit auch ein stiernackiger Ordner, der die Leute vor Konzertbeginn – um mehr Platz zu schaffen – ein wenig nach vorn schubsen muss und dabei süffisant meint: ‘Keine Berührungsängste! Vor zehn Jahren hättet ihr doch auch keine gehabt.’




Die Bühnenshow ist eine Art buntes Potpourri aus altbekannten Pop-Versatzstücken, die in der Kombination möglicherweise so etwas wie Ironie verströmen sollen – was aber eher kläglich gelingt. Der Beginn steht ganz im Zeichen des Digitalen: Vor zwei meterhohen Quadern aus je vier mal vier weißen Würfeln betreten Sänger Neil Tennant und Lowe die Bühne mit würfelförmigen Helmen. Man will ein bisschen Roboter sein. Das ist seit Daft Punk allerdings nichts Neues mehr. Bunte Klötzchen auf der Videoleinwand dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen. Im Laufe des Abends wird Tennant dann langsam immer ziviler: zuerst mit Melone und Sonnenbrille, später gar als alternder Gentleman im Anzug mit Fliege.




Begleitet werden die beiden während der Show von zwei bis vier lässig gekleideten Tänzern und Tänzerinnen, die bei ‘Go West’ mal ‘Kraft-durch-Freude-Körperertüchtigung betreiben, sich dann im expressiven Experimentaltanz üben, um später von Tennant während einer Art Abendtanz auch mal an der Hand geführt zu werden. Um ehrlich zu sein: man hätte sich für den Großteil der Songs durchaus etwas mehr Düsternis gewünscht, was einem guten Teil der Songs auch angemessen wäre. Das Musizieren an sich bleibt heute Abend außen vor. Außer dem statischen Lowe gibt es keinerlei Anzeichen für das unmittelbare Erzeugen von Musik. Hinzu kommt, dass die Stimme von Sänger Tennant überwiegend so glatt klingt, dass sie ebenso auch vom Band kommen könnte. Nun ja, das Publikum wippt trotzdem mit und freut sich über Altbekanntes. Dann kommt auch noch der unvermeidliche Konfetti-Regen und – damit einher – das ungute Gefühl, dass hier gerade ein paar bedeutende Songs ihres Zaubers beraubt wurden.

Taken from: Freue Presse
Interviewer: Martin Altwein “