Pet Shop Boys in Rock

In der Jahrhunderthalle verheddert sich das Duo


zwischen Synthiepop, Gitarren und Fußballstadion-Klang




Da hat’s aber ordentlich gerappelt im Zoogeschäft. Am Anfang klang es so, als ob alle gefiederten Freunde und auch die possierlichen Nager

wild durcheinander quietschen würden. Stechende, knackende Höhen – und das soll Neil Tennant sein? Die Stimme des Pet-Shop-Boys-Strategen,

der auf seinen Platten immer so verdammt clever klingt – einerseits so englisch distinguiert und distanziert, aber gleichzeitig so, als ob

er so viel mehr wüsste als alle anderen um ihn herum – hing unnatürlich aufgepumpt im Raum.


Das war alles andere als Home And Dry, auch wenn das Stück, mit dem die Pet Shop Boys ihr Konzert in der Jahrhunderthalle begannen, so hieß.

‘Good evening Frankfurt, welcome to the new Pet Shop Boys’, erhebt Tennant seine Stimme nach Being Boring – als ob man es nicht bemerkt hätte,

dass da im Halbdunkel hinter Zeremonienmeister Tennant und dem wie immer ungerührt seine Tasten bedienenden Chris Lowe eine Perkussionistin

und zwei Gitarristen agieren würden – und das nicht gerade subtil.


Einiges hatte man vorher über die neuen Pet Shop Boys lesen können: runter mit den Masken, kein Theater mehr, sich so geben, wie man

tatsächlich sei im mittlerweile reifen Alter von 47 (Tennant) und 42 (Lowe) Jahren. Solche Worte von Meistern der Selbstinszenierung? Nach

der Eurodisco-, der HiNRG-Hedonismus- und der Musical-Schmalz-Phase jetzt die solides-Alterswerk-ohne-viel-Brimborium-Phase?


Ein deutlicheres Anzeichen für den neuen Kurs, für die Abkehr von der Suche nach den hipsten Beats in den angesagtesten Clubs, als die neue

Single I Get Along, Song Nummer vier im Konzert, kann es da nicht geben: Der Song ist die beste Single, die Oasis und Herman’s Hermits nie

zusammen geschrieben haben, und wird wohl bald von unzähligen Pub-Bands gecovert werden. Ganz zu schweigen davon, dass er das Zeug hat, mit

seinem hymnischen Refrain Go West in den Fußballstadien auf Platz zwei zu verdrängen.


Natürlich haben die Pet Shop Boys auch in diesem Lied wieder eine kleine Ironie versteckt, aber glauben Sie mir, wenn bei einem Livekonzert

zwei Gitarren von hintenraus dröhnen, dann steht das zarte Pflänzchen der Ironie auf verdammt verlorenem Posten. Nicht genug: Love Comes

Quickly beginnt im Dunkel mit einer kreischenden Rückkopplung, dann wird die Bühne in infernalisch rotes Licht getaucht – willkommen in der

Rockhölle.


Die Akustikgitarre in Neil Tennants Händen, mit denen er manche Songs mit klingelnden Lagerfeuerakkorden unterlegte, war da wohl eher ein

Placebo, damit er wusste, was er mit den Händen anstellen sollte. Gar nicht auszudenken, was da im Überschwang der Rockbegeisterung hätte

passieren können, am Ende hätte er noch die Fäuste gereckt, als der Gitarrist links hinter ihm wieder eine Breitseite Bratakkorde loslies –

und das wollen wir bei den Pet Shop Boys wirklich nicht sehen. Die Hände der Fans gingen trotzdem zum Himmel, wenn auch ältere Songs wie Domino

Dancing, New York City Boy oder Always On My Mind (‘Our favourite Country’n’Western Song’) deutlich mehr Begeisterung auslösten als die

reduzierteren neuen wie London oder Sexy Northerner. Aus West End Girls hätte in der neuen Version mit verhallten Gitarren eine richtig

schöne Spaghetti-Western-Seifenoper werden können, wenn nicht der klumpfüßige Synthiebeat das ganze Arrangement wieder plattgetreten hätte.

Love Is A Catastrophe schreit geradezu nach epischer Auswalzung, die es live aber auch nicht bekommt.


Auf der Bühne passiert so wenig, dass selbst die Lightshow Szenenapplaus bekommt. Da muss wohl nachgelegt werden. Richtig: Go West. Das verhaltene

Keyboard-Intro und die fast gesprochene erste Strophe lassen denken, dass die Pet Shop Boys sich ihren Hit wieder von den grölenden Massen in

den Stadien zurückholen wollen – aber der gute alte Rhythmus-Bums stellt sich bald wieder ein.


‘This is our last Concert in Germany,’ meint Tennant – au ja, jetzt kommt die Stelle, wo Rockbands zum Tourabschluss noch mal richtig die

Sau rauslassen oder derbe Streiche von ihren Roadies gespielt bekommen -, ‘but we will be back soon.’ Achso. Bei It’s A Sin als letzter

Zugabe hält es sogar die Zuschauer auf dem Balkon nicht mehr in ihren Sitzen. Die Pet Shop Boys werden bald wieder kommen. Hoffentlich

lassen sie die Gitarristen dann zu Hause.

Taken from: Frankfurter Rundschau
Interviewer: Stefan Rohmig