Flirt mit der Langeweile: Die Pet Shop Boys haben sich ein neues Image zu ihrer neuen Platte gesucht. In ihrem aktuellen Video unterziehen sich die Pet Shop Boys einer aufwendigen kosmetischen Operation. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie ihr Image änderten, diesmal machen sie allerdings die Verwandlung selbst zum Thema. Stolz auf ihr neues Outfit, das gekrönt wird von einer blondierten Punk-Frisur überbreiten kantigen Augenbrauen treten sie schließlich hinaus ans Tageslicht, um ihre Hunde auszuführen. Die rauhe Betonwüste um sie herum sieht aus, wie sich menschenfeindliche Architekten der 60er Jahre einmal unsere Zukunft wünschen. Doch wer meint, die PSB seien die schillernden Trendsetter in dieser aschgrauen Welt, der sieht sich im letzten Bild getäuscht: duzende von Passanten bevölkern die Straßen. Und alle sehen sie aus wie die PSB.
Es versteht sich, dass sie auch in ihrem neuen Look auftraten als sie am vergangenen Wochenende auf der Popkomm, ihre neue CD und ihre Deutschlandtournee im November ankündigten. Wie ihr Vorbild Andy Warhole träumten die Britpop-Veteranen den alten Maschinentraum von der Entindividualisierung: die Sehnsucht ganz in der selbst geschaffenen Kunstwelt aufzugehen hatte in ihren Songs stets etwas ebenso melancholisches wie tröstliches. Geradeso wie die hohe Tenorstimme als einziges menschliches Element im voluminösen, elektronischen Klangkörper zugleich verloren und umschmeichelt wirken kann.
Jetzt tragen sie auch Perücken wie Warhole, der sich wünschte, selbst eine Maschine zu sein und sein Atelier als Fabrik bezeichnete. ‘Die Augenbrauen und unsere weiten Hosen haben wir von japanischen Kabuki-Theater abgeschaut. Die Haare sollen daran erinnern, dass die gegenwärtige Musikszene etwas mehr Punk ganz gut gebrauchen könnte.’
Die ersten sieben Songs ihrer im Oktober erscheinenden CD ‘Nightlife’ kündigt eine dezente Palastrevolution an, denn es ist zum ersten Mal ein sattes Country-Gitarrensolo im ansonsten elektronischen Arrangement zu hören. Ob sie das nächste Duett mit Chris Christoffersen singen, möchte jemand wissen: ‘Wir würden nie mit Männern arbeiten, die Bärte tragen’ antwortete Neil Tennant. Dafür reüssiert Keily Minogue als Duettpartnerin, die schon Nick Cave zu lasziven Country-Flair verholfen hat. ‘In Denial’ ist ein geradezu monumentales Werk, eine emotionalisierte Ballade der Verweigerung, orchestriert wie ein Stück pompöser Filmmusik. In den neuen Songs läßt sich die immer stärker zu Tage tretende Melancholie nur noch notdürftig in den treibenden Beats gefangen halten.
Wenn sich die PSB zum knapp 2 minütigen Phototermin betont gelangweilt in der entferntesten Ecke eines leeren Saals plazieren und sich nur seitlich ohne Blickkontakt photographieren lassen, ist dies Programm. Die Langweile ist die Kehrseite der Unterhaltung, es gibt das eine nicht ohne das andere, jetzt aber scheint sie für Neil Tennant und seinen Partner Chris Lowe zum Thema geworden zu sein. Nicht das die Songs von neuen Album langweilig wären, aber die permanente Variation alter Themen wirkt wie ein Ritual auch wenn es ihnen nicht an eingängigen Melodiebögen mangelt. Die Band zitiert Musikstile wie den experimentellen Rock der 70er Jahre wenn sie nicht gerade Rückschau bei sich selbst hält: So in der ganz an ‘Go West’ angelehnten neuen Single ‘New York City Boy’
mit einem Männerchor nach Art der Village People. Ein Bekenntnis zur Schwulenkultur ist stärker als bisher spürbar. Ihr Song ‘Vampires’ ist in diesem Sinne ein Bekenntnis zur ewigen Schattenexistenz, wenn sich in einer endlosen Schleife die Zeile wiederholt: ‘You’re Vampire, I’m a Vampire, too’. Aber auch in den Ritualen des Pop kann man sich gefangen fühlen: ‘Pop ist immer neu’,sagt Tennant, ‘aber es liegt ein gewisser Widerspruch darin, für lange Zeit in einem Geschäft zu arbeietn, das sich vorrangig in der Neuheit definiert. So haben wir versucht, uns alle drei Jahre neu zu erfinden.’ Als Flirt mit der Langeweile möchten sie ihr neues Image aber doch nicht bezeichnet wissen. ‘Wir verstehen, was Warhole meinte, wenn er sagte, ich mag langweilige Dinge: er liebte das Einfache. Wie langweilige Architektur, mit ihren starren Formen in der man sich umso leichter zurechtfindet. Aber als ich neulich in London im Theater war, habe ich mich so gelangweilt, dass es richtig wehtat. Also diese Art von Langeweile mögen wir überhaupt nicht…’
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