Großer Zirkus-Pop im Quadrat

Zeitgeistig und zeitlos: Die Pet Shop Boys machen Popmusik fürs neue Jahrtausend und inszenieren sich mit einer futuristischen Show – wie sie am Sonntag bei ihrem Deutschlandtour-Auftakt im ausverkauften Stuttgarter Theaterhaus unter Beweis gestellt haben.




Sie machen es sich nicht so leicht, wie sie könnten. Wären die Pet Shop Boys ein Rockduo, sie bräuchten nicht mehr als Gesang und Instrumente. Sie sind aber eine Popband, und was für eine! Deshalb geben sie kein Konzert im eigentlichen Sinne, sondern inszenieren sich als Gesamtkunstwerk: Der Deutschland-Auftakt am Sonntag im ausverkauften Stuttgarter Theaterhaus ist ein Multimediaspektaktel, bei dem meistens die Musik im Mittelpunkt steht – aber eben nicht immer.




Das Quadrat hat es Neil Tennant und Chris Lowe angetan. Unter viel Applaus der rund 1800 Gäste steigen sie mit Würfelköpfen aus den Wänden, die wiederum aus vielen kleinen Quadraten. Und bei ‘Build A Wall’ stürzt das Konstrukt aus Würfeln hinter ihnen einfach zusammen.




Es macht Spaß, den Pet Shop Boys bei der Arbeit zuzuschauen, die ihnen scheinbar so leicht von der Hand geht. Wie Neil Tennant mit dieser seltsamen, blasierten Singstimme, an die man sich so gewöhnt hat, die großen Hits intoniert, wie er sich immer neue Outfits überzieht und gar im schwarzen Zweireiher mit Fliege erscheint. Nur manchmal, da schaut er skeptisch, wenn es mit dem Sound hapert. Als dieser mal ganz ausfällt, nuschelt er ‘passiert eben’ ins Mikro. Chris Lowe versteckt sich hinter einem weißen Pult aus Synthesizer und Computer, dreht an Knöpfen und sorgt für die Musik. Der eine ist der Nerd, der andere die – nun ja – Rampensau, wenn man davon bei Tennant überhaupt sprechen kann. ‘Guten Abend Stuttgart’, sagt er, ‘wir sind zurück.’ Und ganz am Schluss: ‘Wir sind die Pet Shop Boys.’




In den vielen Jahren, die das Duo nun auf der Bühne steht, haben sich viele Hymnen angesammelt. Fern von der Stadiontauglichkeit eines ‘Go West’, ein großer Hit, den sie natürlich auch spielen. ‘Se A Vida E’, ‘It’s A Sin’, ‘Being Borin’ und natürlich ‘West End Girls’ sind Popsongs im Breitwandformat. Im großen Saal des Theaterhauses schweben imaginäre Blubberblasen, ganz real regnet es nach gut 90 Minuten Glitzerkonfetti. Die Show der Pet Show Boys pendelt zwischen Stil und Trash, Ikonografie und Antiheldentum, Hedonismus und Purismus. Die Welt dieser Band ist kunterbunt, nur eine Farbe kennt sie nicht: mausgrau.

Taken from: Stuttgarter Nachrichten
Interviewer: Anja Wasserbäch