Ewige Jugend, aber nicht ewige Eighties: ‘Yes’ von den Pet Shop Boys

Während ‘Yes’ munter dahinblubbert, als würden wir uns in einem goldenen Zeitalter des Pop befinden und nicht in einem Jammertal, stellt sich die Frage, ob das überhaupt noch zulässig ist: Darf eine Platte heute so unverschämt eingängig klingen? Andererseits: Muss sie es nicht sogar, um aufzufallen, um aus der nicht abebbenden Veröffentlichungsflut herauszustechen?


Man hat Neil Tennant und Chris Lowe bereits als Elder Statesmen der Popmusik abgeheftet. Zum Glück war das voreilig. Mit ihrem zehnten Studioalbum beweisen die beiden, wie sehr sie mit ihrer Popkunst nach wie vor auf der Höhe der Zeit sind.


Nun weiß man auch, was Alben wie dem wackeren ‘Fundamental’ (2006) bei aller Qualität abging. Der letzte Drive, der jugendliche Elan fehlte. Das Hittige darauf klang forciert, man merkte die Anstrengung dahinter. Und genau das darf man bei Popmusik nicht. Nun haben die Jungs ihre Leichtigkeit wiedergefunden.


Dass sie inzwischen 54 bzw. 49 Jahre alt sind, tut nichts zur Sache. Die Pet Shop Boys agierten immer schon gegen die Zeit. Als sie mit ‘West End Girls’ antraten, waren sie im Vergleich zu George Michael oder Boy George nicht nur nach konventionellen Maßstäben völlig unsexy, sondern fast schon zu alt für Newcomer. Inzwischen haben sie als schlaue Popfüchse eine Aura ewiger Jugend kultiviert.


Mit Retroseligkeit und den ewigen 80ern hat ‘Yes’ zum Glück wenig bis nichts zu tun. Die Produzenten von Xenomania, denen man zu ihrer Arbeit nur gratulieren kann, zapfen zwar das Soundvokabular der klassischen Pet-Shop-Boys-Ära an; sie haben es jedoch geschafft, der Übung eine viel frischere Note zu geben, als es den Boys zuletzt selbst gelang.




Es geht auf dieser Platte natürlich und wie immer um alles: um englische Könige und verliebte Jugendliche; um Einsamkeit und den Frühling; um die Bourgeoisie und den Mann auf der Straße; um den Gerhard Richter an deiner Wand, der dich auch nicht glücklich macht, wie Neil Tennant in der ersten Single ‘Love etc.’ singt.


Er nennt es einen ‘postmaterialistischen Song’. Ein kleiner Trost, dass die, die sich immer noch fast alles leisten können, eben auch nicht glücklicher sind. Die Conclusio: ‘I believe / Call me naive / That love is for free.’


‘Yes’ bringt 47 Minuten Pet Shop Boys in Reinkultur. Neben erstklassigem Electropop wie ‘Love etc.’ oder dem kommenden Sommerhit ‘All over the World’ (kein ELO-Cover, dafür mit einem Synthie-Orchester, das Tschaikowsky-Akkorde ausstößt) finden sich auch einige wenige ruhigere Songs. ‘Beautiful People’ etwa, das Owen Pallett (Final Fantasy) orchestriert hat, atmet den Geist der Sixties und erinnert auch ein wenig an ‘Being Boring’.

Der Fokus liegt aber eindeutig auf melodiösen Uptempo-Nummern. ‘Did You See Me Coming’ ist ein zuckersüßer Song übers Verliebtsein, ‘Pandemonium’ (ursprünglich für Kylie Minogue geschrieben) eine dieser grenzwertigen Disconummern, die Tennant/Lowe immer wieder auskommen. Und zu ‘The Way It Used To Be’, das eine Begegnung mit einem Ex schildert, regnet es Tränen auf den Dancefloor.


‘Yes’ wird die Popmusik nicht retten, schreibt Spex. Stimmt. Aber es macht sie wieder ein kleines Stück aufregender.

Taken from: Der Falter
Interviewer: Sebastian Fasthuber