laut.de-Kritik

Permasteil. Dufte. Knorke. Schnieke. Toll. Gediegen. Schnafte.

 

Knaller. Ausgezeichnet. Prima. Wunderbar. Schön. Endlaser. Permasteil. De Luxe. Grandios. Edel. Brillant. Spitzenmäßig. Korall. Bosshaft. Famos. Gold. Klasse. Hervorragend. Leiwand. Schön.
Tipptopp. Riesig. Super. Pet Shop Boys.

Im Grunde würde die Auflistung diverser “Super”-Synonyme als Kritik für das neue Album und die Karriere der beiden Engländer Neil Tennant und Chris Lowe bereits ausreichen. Man würde damit sogar der minimalistischen Herangehensweise ihrer Pop-Art-Cover, die sie diesmal fulminant auf die Spitze treiben, gerecht. Dass die Band, die sich seit 1986 weigert, auch nur einen Longplayer aufzunehmen, der nicht mindestens das Prädikat “gut” verdient hätte, hier mit einer schlechten Wertung nach Hause geht, erwartet auch niemand. Was lässt sich also über “Super” sagen? Genug.

Nachdem sie mit “Elysium” ein erschreckend ehrliches Album über das Altern und den Abschied veröffentlichten, werfen sie sich nach “Electric” nun zum zweiten Mal in Folge in ihre darauf folgende Later-Life-Crises. Als wollten sie die grausigen Bilder des Verfalls ungeschehen machen, springen sie mit Produzent Stuart Price erneut durch niemals enden wollende Großraumdisco-Nächte und Strobogewitter. Die Zusammenarbeit ist auf drei Alben angelegt. So folgt “Super” der Logik der Fortsetzungen: Schneller, bunter und noch mehr Explosionen.

Dieser Rausch der Sinne und der Euphorie geht jedoch ausgerechnet zu Lasten einer der größten Stärken der Pet Shop Boys. Die getragene Melancholie und Tennants intelligente Texte stehen auf “Super” deutlich im Hintergrund.

Und das, obwohl dies immer den entscheidenden Unterschied zu anderen Pop-Produktionen ausmachte und zeitlose Songs wie “Rent“, “King’s Cross” und “Being Boring” erst ermöglichten: “It’s a long way to happiness, a long way to go / But I’m gonna get there, boy, the only way I know.” “Happiness” gibt mit seinem überbordenden Optimismus den Ton an. Gerade einmal diese zwei Zeilen braucht Tennant, um mit seiner unverkennbaren Stimme den von Handclaps untermalten Refrain nachhaltig im Gehirn zu verankern. Mehr gibt es von ihm nicht zu hören. Den effektiven Rest bilden Wortfetzen, wankende Bässe und von Hot Chip geknutschter Synth-Pop. Im Mittelpunkt steht das Ziel, nicht die Reise.

Wie auch in “Inner Sanctum” zieht vieles auf “Super” seine Energie aus den Instrumentals. Tennants sakraler Gesang konzentriert sich allein auf die Hook. Lowes zuvor im Mittelpunkt stehende Synthesizer umgarnen den Sänger bei dessen Abrechnung mit der Prominenz. “In the inner sanctum you’re a star / The girls, the guys, they all know who you are.” Dabei bedienen sich die Pet Shop Boys sehr ausgiebig bei “The Age Of Love” des italienischen Trance-Projects Age Of Love.

Tennant kann jedoch nicht anders, als in den cleversten Momenten auf “Super” Lowes dynamische Arrangements mit seinen Texten zu unterwandern. Im nostalgischen “The Pop Kids” schickt er uns zurück in die Clubs der frühen Neunziger, erzählt die Geschichte zweier in der Liebe zur Musik und zueinander verschlungener Musiknerds. “We were young but imagined / We were so sophisticated / Telling everyone we knew / That rock was overrated.” Über all dem steht die Einsicht, dass sich selbst rosaroter Optimismus und die schönsten Erinnerungen im Rückblick in Melancholie wandeln. Eine herausragende Single mit wehmütigem Storytelling.

Jubelnde Massen, zerhackte Opernsängerinnen und Streicher begleiten Tennants schärfste Minuten im bedrohlichen Militär-Stampfer “The Dictator Decides“. Anstatt zu kritisieren nimmt er eine düstere lyrische Perspektive ein, versetzt sich in die Rolle eines gelangweilten Diktatoren. “Will someone please say the unsayable? Will someone please tell me I’m wrong?” Innerlich bettelt er nach der Revolution, die ihn endlich hinweg fegt. Nach außen gibt er weiter den grauenvollen Tyrann. “Have you heard me giving a speech? / My facts are invented, I sound quite demented.” Egal wann man diese Zeilen hört, eine passende Gestalt dazu wird einem immer einfallen. Momentan drängen sich in Amerika und Deutschland gleich mehrere Kandidaten auf.

Das aufgeheizte “Undertow” geht mit seinen Soundanleihen zurück zu den frühen Pet Shop Boys der Achtziger. Lowe zündet eine Explosion nach der anderen. Das schürende “Burn” setzt noch einen drauf. Was wie ein Shep Pettibone-Remix von “Heart” beginnt, kennt mit seinen bombastischen Synthesizerwellen und DiscoFunk-Gitarren nur Funktionalität. Komplett auf den Tanzboden ausgerichtet, lässt es sich dann auch herrlich auf textliche Tiefe verzichten. “We gonna burn this disco down before the morning comes.

Mit der Wall-E-Ballade “Sad Robot World“, dem einzigen ruhigen Stück auf “Super”, gelingt den Pet Shop Boys ein bewegender Kniff. Ein flüchtiger Blick in die Seele der Maschinen. “There’s no sleep, no food, no pay / Doing as commanded / 24 hours every day / Whatever is demanded.” In Lowes kaltem Umfeld, das an die Arbeiten von Gary Numan gemahnt, singt Tennant unterkühlt und leicht abgehackt. Im Grunde gibt es hier keinen Platz für Gefühle. “Machinery is sighing / I thought I heard one crying.” Minimal, berechnend und verkühlt schürt die Band trotzdem in diesem großartig schwermütigen Moment Mitgefühl für die armen weinenden Roboter. Schnüff.

Trotz des Verzichts der üblichen Herangehensweise der Pet Shop Boys, auf ein Album gerne einen stilistischen Gegenentwurf zum Vorgänger folgen zu lassen, funktioniert auch die zweite Runde im “Electric”-Karussell mit Schiffschaukelbremser Suart Price prächtig. Für das mögliche Finale der Zusammenarbeit wäre dann etwas Abwechslung jedoch wünschenswert. Bis dahin gilt weiterhin:

Elefantastisch. Galaxomaßig. Dufte. Knorke. Schnieke. Toll. Gediegen. Premium. Bestens. Schnafte. Beeindruckend. Geil. Feinifein. Sackstark. Umwerfend. Mega. Glamtastic. Wundervoll. Astrein. Pornastisch. Großartig. Ultra. Super. Pet Shop Boys.

Aus: LAUT.de
Von: Sven Kabelitz