Wir sind zu der Arbeitsweise aus unseren Anfangstagen zurückgekehrt

Der Sänger der Pet Shop Boys, Neil Tennant, sagt, dass er und Chris Lowe bei ihrem aktuellen Album ‘Elysium’ wieder zu zweit an ihrer Musik gearbeitet haben. Wie zu Beginn ihrer Karriere hätten sie das Programmieren wieder übernommen, ergänzt Tennant.




Christiane Rebmann: Etwas in die Jahre sind sie gekommen, die Herren Neil Tennant und Chris Lowe – die zwei Köpfe hinter den Pet Shop Boys. Über fünfzig sind sie jetzt, und nicht mehr so präsent, wie sie es mal waren: sowohl was die Hitlisten, als auch was den Zeitgeist betrifft. Aber wirklich gealtert sind die Popikonen dann doch nur auf dem Papier. Denn mit den Lebensjahren, hat sich auch die Musik weiterentwickelt, was sie jetzt auf dem neuen Album ‘Elysium’ noch einmal bewusst forcieren wollten – neuer Wind, neue Inspirationen sollten her. Deshalb gingen sie für die Aufnahmen nach L.A. und arbeiteten dort mit dem jungen Musiker Andrew Dawson, der auch schon für den berühmt-berüchtigten Hip-Hop Künstler Kanye West produziert hat. Und es ist ihrem Sound ganz gut bekommen. Elysium klingt moderner, einfallsreicher als die letzte Platte ‘Yes’.

Und auch die Texte sind den Schritt mit weiter gegangen – es geht um Themen wie das Älterwerden und auch den Tod. Christiane Rebmann hat für Corso im Gespräch mit den Pet Shop Boys herausgefunden, warum das so ist?

Rebmann: Mr. Tennant, Mr. Lowe, warum haben Sie Ihr neues Album ‘Elysium’ in L.A. aufgenommen?

Neil Tennant: Wir dachten: Es wäre gut, viele Backing Vocals zu haben. Und dafür ist Los Angeles ein guter Ort. Wir arbeiteten mit den Sängerinnen, die auf Michael Jacksons Album ‘Thriller’ zu hören sind und auf Adeles CD. Außerdem wollten wir unseren Sound ein wenig auffrischen. Wir wollten etwas von diesem typischen Electronic Hip-Hop Sound, wie Kanye West ihn in seiner Musik hat. Und außerdem sagten wir uns: In L.A. scheint die Sonne, während in England Winter ist.

Rebmann: Sie haben sich dafür Kanye Wests Produzenten Andrew Dawson ins Studio geholt. Hat sich auch in der Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden etwas verändert?

Tennant: Musikalisch hat sich etwas verändert.

Chris Lowe: Neil hat mir ein paar Texte rüber gegeben.

Tennant: Nein, du hast doch angefangen, die Musik selbst zu programmieren.

Lowe: Ach das, sorry, ich wusste nicht, was du meinst.

Tennant: Das war eine große Veränderung. Wir sind zu der Arbeitsweise aus unseren Anfangstagen zurückgekehrt. Damals haben wir zu zweit an unserer Musik gearbeitet. Später haben wir uns einen dritten Mann dazu geholt, der das Programmieren übernommen hat. Und jetzt machen wir’s wieder zu zweit, weil Chris gelernt hat, wie man mit den Geräten umgeht.

Lowe:Es ist fürchterlich schwierig, da mitzuhalten. Aber es reizt mich auch. Früher haben wir uns immer mehr auf die Songs konzentriert als auf die Produktion. Aber heutzutage geht es mehr um die Produktion als um den Song. Das ist der modernere Ansatz. Es ist nur so viel Arbeit, und wir sind ziemlich faul.

Rebmann:Die Spaziergänge im Elysian Park in Los Angeles haben Sie zu dem Albumtitel ‘Elysium’ angeregt. Was gefiel Ihnen an dem Wort?

Tennant: In der klassischen Mythologie heißt das ja Paradies oder Leben nach dem Tod. Wir wollten mal was anderes als Pet Shop Boys ‘Maybe’. Etwas das klar macht, dass dieses Album anders klingt als unsere anderen Alben. Außerdem haben wir das Wort in den Google Übersetzer eingegeben und festgestellt, dass es ein internationales Wort ist. Es heißt auf Deutsch so, und auf Spanisch auch.

Rebmann:Der Sound ist modern, die Themen eher ernst. In ‘Leaving’ singen sie auch vom Tod Ihrer Eltern, der Sie offensichtlich sehr mitgenommen hat.

Tennant: Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass ich jetzt an vorderster Front stehe. Die vorige Generation ist weg. Unsere ist als Nächstes dran. Na ja, Chris’ Mutter lebt noch. Für ihn ist es noch nicht so.

Lowe: Mein Vater ist letztes Jahr gestorben. Man hat wirklich das Gefühl, dass man auf der Rolltreppe Richtung Tod steht. Ein merkwürdiger Gedanke, dass ich irgendwann nicht mehr da bin, und am Piccadilly Circus geht alles genauso hektisch weiter wie davor, und in Wimbledon wird Tennis gespielt, obwohl ich nicht mehr da bin. Unvorstellbar.

Rebmann:Das richtige Gespür für außergewöhnliche Themen haben Sie immer noch. Im Video zum Song ‘Winner’ lassen Sie einen Transsexuellen mit den Londoner Rollergirls auftreten. Sie bekamen dafür einen Dankesbrief von der Organisation der Transsexuellen und stellten sie auf Ihre Website.

Tennant: Leider können wir uns das nicht auf die Fahne schreiben, außer dass wir diese Idee aus mehreren Entwürfen ausgesucht haben. Ein Londoner Regieteam hatte die Idee. Wir hatten einfach nur gedacht, dass es Sinn macht, einen Menschen zu zeigen, der sonst immer aus allem ausgeschlossen wird, und hier plötzlich akzeptiert wird.

Aber ich glaube, unsere Fans diskutieren eher darüber, warum wir in diesem Video nicht auftauchen. Aber wir waren ja schon in den letzten Videos wenig zu sehen.

Rebmann:Warum treten Sie in Ihren Videos nicht mehr auf?

Tennant: Wenn man älter wird, fragt man sich: Was soll das? Warum sollten wir das Video verderben.

Rebmann:Kommen Sie, Sie sehen doch noch ganz gut aus.

Tennant: Vielen Dank.

Rebmann:Wie machen Sie das? Mit Botox?

Tennant: Nein, ich verwende nie Botox. Obwohl, als ich heute Morgen in den Spiegel guckte, war das Licht im Hotelbad ziemlich ungünstig. Da hab ich mir’s schon überlegt.

Lowe: Bloß nicht kleckern. Du solltest lieber gleich klotzen und ein komplettes Facelift machen lassen.

Tennant: Die, die sich liften lassen, sehen doch alle gleich aus. Aber im Ernst – ich finde, das Beste ist, man kümmert sich gar nicht drum.

Rebmann:Im Song ‘Invisible’ gucken Sie auf dasselbe Thema aus einem anderen Winkel?

Tennant: Wenn du älter wirst, verändert sich die Art, wie du wahrgenommen wirst. Eine Journalistin sagte kürzlich zu mir: ‘Wenn du als Frau mit 45 auf eine Party gehst, bist du unsichtbar.’ Und ich dachte: Na ja, wenn du als Mann über 40 auf eine Party gehst, bist du auch unsichtbar. Außer wenn du wirklich reich und berühmt bist. Ich glaube nicht, dass Madonna übersehen wird, wenn sie auf einer Party einläuft.

Machen Sie noch Yoga, um sich fit zu halten?

Tennant: Nein, ich habe zwei Jahre lang Yoga gemacht. Ich habe es gehasst. Ich fand nur das Gefühl gut, Yoga gemacht zu haben. Aber es hat mir geholfen, meine Stimme zu verbessern. Ich weiß jetzt endlich, wo mein Zwerchfell sitzt. Aber ansonsten laufe ich lieber.

Lowe: Das ist auch die am wenigsten frustrierende Art, sich in London fortzubewegen.

Tennant: Während der Olympischen Spiele kam man gut voran. Alle Leute, die nicht unbedingt in die Stadt mussten, blieben ja draußen. Es war ein ganz neues London, mit leeren Straßen und lächelnden Polizisten.

Irgendwann musste ich die U-Bahn nehmen, weil die Straßen in meiner Gegend wegen des Radrennens abgesperrt waren. Und ich fummelte gerade ungeschickt mit meiner U-Bahn-Karte rum, da kam eine Frau in Uniform und machte die große Gittertür neben den Einlassautomaten und sagte: ‘Ach kommen Sie doch hierher, Sir, das ist einfacher.’
Und an der nächsten Station lächelte mich ein Polizist in voller Montur mit Helm an und sagte: ‘Darf ich Ihnen etwas sagen, Sir? Mir hat Ihr Konzert mit Take That ausgesprochen gut gefallen.’ Ich dachte: Was ist hier los? Das ist der Olympia Effekt. Alle Menschen sind plötzlich freundlich.

Das Irre ist, dass bei uns eine Woche vorher noch niemand Bock auf Olympia hatte, typisch britisch eben.

Und dann die Diskussion über die angeblichen Sicherheitsprobleme. Das war ja nun offensichtlich ein Sturm im Wasserglas.

Rebmann:Aber einer, der womöglich wichtige Folgen hat. Für den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, der bei seinem Besuch in London Ende Juli noch Zweifel über die Sicherheit in London äußerte.

Tennant: Ja, das hat Mitt Romney womöglich den Posten als US-Präsident gekostet, zumindest als eine von mehreren Pannen. Ein US-Athlet hat im Interview gesagt, es gibt Amerikaner, die Amerika nie verlassen sollten.

Rebmann:Sie haben vorhin die Tournee mit Take That angesprochen. Wie war das denn, mit den jungen Kollegen aufzutreten?

Tennant: Oh, das hat Spaß gemacht. Es hat uns beeindruckt, dass sie uns unbedingt dabei haben wollten. Wir wollten eigentlich gar nicht mitmachen. Aber dann hat man uns zugesichert, dass wir Teil der Show sein würden. Wir konnten die Produktion unserer letzten Tournee verwenden, nur auf 40 Minuten gekürzt. Das Publikum bestand zu 90 Prozent aus Frauen zwischen 35 und 45. So viel hatten wir sonst nie aus dieser Altersgruppe.

Rebmann:Haben Sie Liebesbriefe bekommen?

Tennant: Nein, aber es kommt jetzt immer wieder vor, dass dieser Polizist zu mir sagt:’Ich hab sie mit Take That gesehen.’Wir haben ja auch acht Mal im Wembley Stadion gespielt. Das war auch ein Grund, warum wir mitgemacht haben. Dass die Tour historische Ausmaße hatte. Das war größer als früher Michael Jackson. Zumindest in England. In Deutschland war das anders. Da hatten sie auf das Plakat einen Aufkleber mit ‘Special Guest Pet Shop Boys’ quer über die Gesichter von Take That geklebt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Taken from: Deutschlandradio
Interviewer: Christiane Rebmann