Wir sind nicht mehr Pop

Anders als manche musikalischen Wegbegleiter aus den achtziger Jahren haben sie sich immer weiterentwickelt: Die Pet Shop Boys über die Wärme des Sounds, das Blau des Pools und ihr neues Album „Elysium“.




Ihr neues Album „Elysium“ klingt musikalisch sehr nach den frühen Pet Shop Boys. Ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln?



Neil Tennant: Die Pop-Musik ist seit „West End Girls“ einen weiten Weg gegangen, irgendwann wurden viele Samples verwendet, dann kam das Zeitalter der Software-Synthesizer, und unsere Musik wurde ebenfalls viel geschäftiger. „Elysium“ ist gewissermaßen ein Schritt zur Entschleunigung. Für „Elysium“ haben wir mit Andrew Dawson in Los Angeles gearbeitet, der hat die letzten Alben von Kanye West und Drake produziert. Diese Alben haben uns sehr gut gefallen. Es sind Rap-Alben, die sehr seelenvoll sind und nicht dem üblichen Rap-Klischee entsprechen.



Die Songs zu „Elysium“ entstanden zum Großteil in Berlin, hätten Sie auch mit einem Berliner Produzenten zusammenarbeiten wollen?



Chris Lowe: Wir lieben Berlin, wir arbeiten hier gerne in einem kleinen Studio, aber was den Klang der Platte betrifft, haben wir von Anfang an an L.A. gedacht.



Neil Tennant: In Berlin hätten wir nicht diesen warmen Sound bekommen, und schon gar nicht die Hintergrundstimmen, die das Album mitprägen. Auf „Elysium“ singen in einigen Liedern Mitglieder der Waters-Familie, die schon mit den Jackson Five und auch mit Adele zusammenarbeiteten. Wir wünschten uns Raum, Weichheit und den Bass, und all das fanden wir in L.A. Wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis. Es erscheint sogar eine Instrumentalversion des Albums, weil wir glauben, dass die Songs auch gut ohne Stimmen auskommen.



Im Vergleich zu vielen Ihrer musikalischen Wegbegleiter aus den achtziger Jahren haben Sie sich immer weiterentwickelt. „Elysium“ klingt nicht nach bemühter Zeitgenossenschaft wie etwa Madonnas neues Album.



Chris Lowe: Wir verstehen uns auch nicht mehr als Pop-Gruppe. Wenn man heute Pop-Radio hört – da haben wir nichts verloren.



Neil Tennant: Von den Pop-Charts ganz zu schweigen. Wir leben ja in der „Featuring“-Ära, Rihanna singt derzeit zum Beispiel auf jedermanns Platte. Madonna hatte ihr Comeback mit Features von Nicki Minaj und M.I.A., sie will aber auch, dass vierzehnjährige Mädchen ihre Musik gut finden! Leider macht dieses Featuren viele Pop-Alben sehr anonym. Aber es ist dennoch eine sehr aufregende Zeit, mit diesen Features tauscht man ja untereinander die Fans und macht sich einen neuen Namen in Kontexten, die man früher nie berührt hätte.



Können Sie sich mit der aktuellen Nostalgiewelle in der Club-Musik identifizieren? Die Pet Shop Boys werden ja häufig als die Katalysatoren für den Italo-Disco-Sound der frühen Achtziger bezeichnet, der heute in den Clubs wieder häufig zu hören ist.



Neil Tennant: Als „West End Girls“ erschien, erzählten wir immer, das wir „Italian Disco“ mochten und uns diese Musik in unserer frühen Phase sehr beeinflusst habe. Viele Leute sagten, wir hätten uns das ausgedacht, weil niemand wusste, dass Disco-Musik in Italien damals wirklich eigene, sehr europäische Blüten entwickelt hatte. Italo Disco ist fest im Pet-Shop-Boys-Sound verankert, wir haben sehr häufig eine sehr clubbige Bassline und dazu eine süße Melodie. Wenn wir jetzt zufällig in einer dieser Retro-Momente neu kontextualisiert werden, ist das okay, es gehört aber zu keinem Plan.



Welche Bedeutung hat der Pool auf dem neuen Plattencover? Eine Referenz an David Hockney und seine Zeit in L.A.?



Neil Tennant (lacht): Nein, das ist der Pool des Hauses, in dem wir in L.A. wohnten. Aber wir haben den berühmten Hotel-Pool von David Hockney zufällig während eines Interviews im „Hotel Roosevelt“ entdeckt und waren beeindruckt. Was wir so toll an David Hockney finden, ist, dass da ein Engländer nach L.A. kommt und den Swimmingpool als Kunstsujet entdeckt. Es kann also passieren, dass Künstler in eine Stadt kommen und mit ihrer Sicht plötzlich die Geschichte oder das Erscheinungsbild einer Stadt verändern können, so wie David Bowie während seines Berlin-Aufenthalts plötzlich Berlin neu imaginierte. Wenn man nach L.A. kommt, denkt man sofort: Das sieht ja alles aus wie ein David-Hockney-Gemälde.

Taken from: Frankfurter Allgemeinek
Interviewer: Daniel Haaksman