Wenn Eisprinzen tauen: Die Pet Shop Boys rocken ab






Schepperndes Schlagzeug, wummernder Bass – und dann, ja dann greift Neil Tennant zur Akustik-Gitarre. Was einst Elektropop der allercoolsten

Art war, präsentiert sich bei der aktuellen Tour der Pet Shop Boys als geradezu rockiger Rückblick auf die 80er.


Die Eisprinzen tauen auf. Und doch – it´s alright. Keine Sünde. Kein Schock für die 4000, die die ‘neuen’ Pet Shop Boys in der Düsseldorfer

Philipshalle sahen, nicht wirklich. Die Mädels in cordgestreiften Hotpants, in kurzen Jacken mit Strass-Steinchen darauf, die Frauen mit

gesträhntem Stufenschnitt und hellblauem Kajal um die Augen, die Männer mit Jeansjacken, über die der Kapuzen-Sweaters schlappt é sie alle

dürften mit ähnlich warmen Gefühlen auf die kühlen Achtziger zurückblicken wie die beiden dort oben auf der Bühne. Auf das große, ganze ‘Damals’,

die Partys ‘in suburbia-a-a’. Nicht nur die schwul-lesbischen Communities von London bis Düsseldorf lieben sie heute noch, die Boys, die aus

technischem Spieltrieb heraus in den Erfolg stolperten: 1985 landeten der ehemalige Musikredakteur Neil Tennant und sein Partner Chris Lowe mit

‘West End Girls’ überraschend den ersten von zahlreichen Nummer-eins-Hits. 28 Millionen Platten und CDs des Duos wurden seither verkauft.


Auf schrillen Schnickschnack haben sie verzichtet diesmal: Eine richtige kleine Band hat das Duo um sich versammelt, Percussions und Gitarren

unter Strahlern in Rot, Rosa-Bleu und schließlich einem satten Pink. Passend zum ´88er-Hit ‘Domino Dancing’, der nach einer Übersicht über die

Titel des ‘Release’-Albums – darunter, obligatorisch, ‘Home and Dry’, ‘I get along’, ‘London’ – den eigentlichen Tanzabend einleitet: ‘I don´t

know why, I don´t know how, I thought I loved you, but I´m not sure now – I´ve seen you look at strangers too many times . . .’ é auch in der

Gitarrenrock-Version noch ein äußerst cooles Stück zum uncoolen Mitgröhlen: ‘Alldayallday-y-y . . .’


Als ‘New York City Boy’ oder ‘Sexy Northener’ lassen die Jungs gebliebenen Mittvierziger sich feiern. Und selbst das unsägliche ‘Go West’,

gecovert in Marschmusik-Manier, vermag den wahren Fan noch zu begeistern. Das Leben ist friedlich hier! Geh´ nach Westen!


Zum Ende dann noch einmal Neues: Den ‘Birthday Boy’ (an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch nachträglich an Gitarrist Mark Refoy, der in

Düsseldorf ‘einen runden’ feierte) und schließlich ‘Love is a catastrophe’. Unterm Sternenhimmel raunt Neil Tennant, auf dem Barhocker sitzend,

einen Abgesang auf die Liebe – ‘All my former dreams, tender romantic schemes, revealed as so naive’. Man wird nicht jünger. Das gilt auch für

die Fans, deshalb endet die Show um zehn. Schönen Arbeitstag morgen.

Taken from: Westdeutschen Allgemeinen Zeitung
Interviewer: Britta Heidemann