Weniger Ausstattung, mehr Musik






Pet Shop Boys haben den Rock entdeckt – das zumindest schreibt der freundliche Schreiber der dpa über den Kölner Auftritt

von Neil Tennant und Chris Lowe. Sicher, nimmt man die Verwendung von Gitarren (bei manchen Stücken waren in der Live

Music Hall bis zu drei auf einmal zu hören) als Grundlage für diese Behauptung, könnte man zu diesem Schluss gelangen.

Bei genauerer Betrachtung aber kann man Entwarnung geben: die Pet Shop Boys haben nicht den Rock sondern den Song für

sich entdeckt. Auch wenn die Gitarristen Bic Hayes und Mark Refoy manchmal ordentlich schrammeln durften – im Vordergrund

stand an diesem Abend immer nur eines: der Song. Und dementsprechend ist auch der Verzicht auf Kostüme, Projektionen und

theoretischen Überbau zu verstehen – und keineswegs als Schritt in rockistische Gefilde. Die daraus resultierende Frage ist:

sind die neuen Songs gut genug, um ohne zusätzliche Inszenierung zu bestehen? Sie sind. Ob nun ‘Love Is A Catastrophe’, ‘London’

oder natürlich auch ‘Home & Dry’ haben songwritersiche Qualitäten, die die Pet Shop Boys zuletzt vermissen ließen. Eine

Ansicht, die auch das Publikum offensichtlich teilte: schon sechs Wochen vor Release wurden die Stücke frenetisch empfangen

und größtenteils mitgesungen. Das galt selbstverständlich auch für die älteren Songs – die in ihren Interpretationen zum

Teil den neuen angeglichen wurden. ‘A Red Letter Day’ und besonders auch ‘Was It Worth It’ kamen völlig ohne

Italo-Disco-Arrangements aus, was besonders letzterem eine bisher unbekannte emotionale Wirkung verlieh. Nichtsdestotrotz

tut man den Pet Shop Boys unrecht, wollte man ihr aktuelles Schaffen als Altherrenphase abtun. Bei ‘New York City Boy’,

‘Go West’ und dem neuen Song ‘Sexy Northerner’ gab die 4/4-Bassdrum den Ton an, ‘Love Comes Quickly’ hingegen war für

bisherige Pet Shop Boys-Verhältnisse erstaunlich lärmig.


Fazit: die Pet Shop Boys waren nie leichter zu goutieren als am Samstag – eine Tatsache, die das Publikum sichtlich zu

schätzen wusste. Ob der Auftritt am Samstag nun repräsentativ für das kommende Album und die zukünftge Entwicklung des

Duos war, bleibt abzuwarten. Die für den Sommer angekündigte Tour wird sicherlich aufschlussreicher sein.

Taken from: www.intro.de
Interviewer: Michael Krumbein