Die Pet Shop Boys geben sich auf ihrem
neuen Album politisch – wieder einmal
Im Mermaid Theatre von London fand sich in der vergangenen Woche die Prominenz um Elton John und Robbie Williams ein. Man wohnte der Konzertpremiere der zwölf Songs von ‘Fundamental’ bei, einem Polital-bum der Pet Shop Boys. Neil Tennant hielt bei dieser Gelegenheit einen schneidenden Vortrag, der von den bewegten Studienjahren in den frühren Siebzigern handelte, von Margaret Thatcher, Punk, Pop und von Unbehagen aber zweifelhaften Utopien.
Auf ihrem neuen Album singt er davon, und Chris Lowe entwirft hierzu den nötigen Pomp. Die Pet Shop Boys erinnern an das vorige Jahrhundert, darauf weist das Klangbild deutlich hin wie auch die Lyrik: ‘Sometimes the solution’s worse than the problem’, heißt es in ‘Twentieth Century’. Mitunter sei die Lösung furchtbarer als das Problem. ‘Let’s stay together’, schlägt Neil Tennant vor, laß uns zusammen bleiben. Nicht nur Sound und Stimme schließen aus, daß man die Songs der Pet Shop Boys mit anderen verwechselt, sondern auch die Weise ihrer Wendungen. Utopien sind unmöglich, Trost liegt in der Zweisamkeit. Vielleicht.
Die Pet Shop Boys waren niemals unpolitisch. Häufig waren ihre Hits sogar politischer als die Protestsongs ihrer jeweiligen Zeit. ‘Suburbia’ und ‘Opportu-nities (Let’s Make Lots Of Mo-ney)’ oder ‘King’s Cross’ lieferten den Alltagsblues des Thatcherismus. Ihre Neigung, allen Zorn sehr britisch, also höflich musikalisch zu umkleiden, hat ihnen die Zuneigung von Snobs und Hausfrauen beschert und den willkommenen Haß des Rock ‘n’ Roll. Es kommt nicht plötzlich, daß die Botschaften auch über dieser Oberfläche lesbar werden.
Trevor Hörn hat die neue Platte produziert, wie bereits die Musik von Frankie Goes To Hollywood und ABC und 1987 ‘Actually’ von den Pet Shop Boys. Mit Pathos hat er nie gegeizt, das Künstliche gilt Hörn als künstlerisches Mittel und als angemessene Atmosphäre gegen oder für die Angst. Darin bewegt sich nun Neil Tennant und singt Böses über Blair und Bush, über die dunkle Zukunft, Sodom und Gomorra. Darin steht Chris Lowe an seinen Tasten und erzeugt den rettenden Eurodisco-Fundamentalismus.
Was vor 20 Jahren, als diese Musik den gleichen Auftrag hatte, nichts als Orwell-Paranoia war, klingt heute durchaus glaubhaft. Tennant singt aus Sicht der Macht: ‘If you’ve done nothing wrong, you’ve got nothing to fear.’ Wer sich an das Gesetz hält, hat nichts zu befürchten. Personalchipkarten, Überwachungskameras und Terror als Vorwand. Es geht um Freiheit, bürgerliche Rechte und den Segen demokratischer Gewaltenteilung, um Privates als Politikum. Nun sind das keine neuen Themen. Neu ist, daß man großartig darüber singen kann.
Taken from: Berliner Kurier
Interviewer: Michael Pilz