Rezensionen auf Soundmag.de

Rezension ‘I’m With Stupid’ (Single)




Zugegeben: das Herz schlägt in den ersten Sekunden schneller, wenn die Ankündigung eines neuen Pet Shop Boys-Albums

kommt. Steht die Vorab-Single dann endlich in den Läden, steigt der Puls für kurze Zeit noch mal. Was haben sich

die beiden Herren, inzwischen zur Generation 50 plus gehörend, in den letzten drei Jahren wohl einfallen lassen?

Chris Lowe war augenscheinlich oft in den Clubs und hat sich zusammen mit Neil Tennant überlegt, dass es Zeit für

einen Rückblick in die 80er sei. Gesagt, getan. Ein Anruf beim alten Produzenten-Freund Trevor Horn (Frankie Goes

To Hollywood, Art Of Noise), die künstliche Fanfare in den Synthesizer geladen und einen pumpenden Beat

druntergelegt. Tennant schreibt einen Text über Blair und Bush und fertig ist ‘I’m With Stupid’.



So offensichtlich wie ironisch ist auch das Video. Zwei britische Komiker spielen als Pet Shop Boys verkleidet die

komplett am Computer animierten Videos zu ‘Can You Forgive Her’, das der neuen Single nicht unähnlich ist, und

‘Go West’. Alles ohne Special Effects und mit Detailliebe in einem Off-Theater. Die Originale sitzen gefesselt

und mit Gesichtern voller Entsetzen auf den Stühlen im Parkett. Das hat was, das passt zu den Pet Shop Boys.



Die B-Seiten: ‘The Resurrectionist’ in Single und Extended Version, ein nicht unattraktiver Ausrutscher in die

Eurodisco auf Ibiza und das ruhig-elegische ‘Girl’s Don’t Cry’: ‘Whatever Boys Say, Girls’s Don’t Cry.’ Ganz

offensichtlich ein Irrtum.




Rezension ‘Fundamental/Fundamentalism’ (Album)




Erstaunlicherweise heißt einer der besten Songs auf dem neuen Album der Pet Shop Boys schlicht “Minimal”. Wie die

Schaumkrone einer Discotrancewelle anno 1989, inklusive Peter Hook-Bass im Outro, überzeugt dieses prototypische

Stück Pet Shop Boys beim ersten Hören. Erstaunlich ist der Songtitel insofern, als auf „Fundamental“ so gut wie

nichts minimal ist. Schon die Produktion von Trevor Horn garantiert dafür, dass fast jeder Track Streicher mit

wuchtigen Bässen vereint. Alte Hits wie „It’s Alright“ und „Left To My Own Devices“ die ebenfalls in Zusammenarbeit

mit Horn entstanden, geben die Richtung vor: Soviel Orchester war noch nie bei Neil Tennant und Chris Lowe.



Aber von Anfang an. „Fundamental“ startet mit einem Depeche Mode-Beat aus der „Violator“-Ära. Die leichte

Schwerfälligkeit von „Psychological“ werfen Tennant und Lowe aber schon im nächsten Song über Bord. Ab jetzt

stehen die Zeichen auf Pop. Rücksichts- und bedingungslos. Entweder in seiner rasanten Discovariante („The Sodom

And Gomorrah Show“) oder in altersweisen, groß arrangierten Balladen wie „Numb“, „Luna Park“ und dem fantastischen,

fast schon majestätischen „Indefinite Leave To Remain“. Die ruhigeren Momente dominieren “Fundamental“ jedoch klar.

Vielleicht auch deshalb wird das Album wie zum Trotz durch das flirrende, zum im Vereinigten Königreich

diskutierten Personalausweiszwang Stellung beziehende „Integral“ beendet. Ähnlich opulent wie „It’s A Sin“ und

somit auch final in seiner Größe. Danach scheint alles gesagt.



Es sei denn, die Special Edition liegt im CD-Player. Auf deren zweiter CD versuchen sich acht Remixer und DJs

an den Songs von „Fundamental“, zwei neuen sowie zwei bekannten Stücken. Mal gelingt dies, mal kann man nur

ungläubig mit den Augenbrauen zucken. Aber das ist wohl das Wesen von Remixen.



„Fundamental“ schafft den großen Epochenüberschlag, indem es die Arrangements der 80er Jahre mit zeitgemäßem

Pop und der Nachdenklichkeit des Meisterwerks „Behaviour“ verbindet. Von über 50jährigen ist diese Kombination

nicht unbedingt zu erwarten. Dass es den Pet Shop Boys trotzdem immer wieder gelingt, sich in aktuelle Musikstile

zu fügen, als ob sie dort schon immer zu Hause gewesen wären, ist umso bemerkenswerter.

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