Quietsche-Entchen mit Tiefgang

Die Pet Shop Boys paaren mühelos Kindergeburtstag und Sozialkritik




Wer glaubt, Popmusik habe vor allem „handgemacht” zu sein, von einem Künstler, der dem Konsumenten seine Seele ausschüttet, der hat etwas missverstanden. „Ehrliche” Rocker sind in der Regel an Eitelkeit nicht zu überbieten und zudem stinklangweilig. Pop braucht eine schillernde Oberfläche – intelligent und anspruchsvoll darf sie trotzdem sein. Wollte man also einem Außerirdischen Popmusik erklären, sollte man ihn am besten zu einem Konzert der Pet Shop Boys schicken.




Die Briten fabrizieren nun seit gut 20 Jahren musikalische Quietsche-Entchen mit Tiefgang. Im Münchner „Zenith” führen sie sie allerdings nicht mehr ganz so pompös auf wie zu Zeiten ihrer Mammut-Shows in den 90ern. Eine von Neonröhren eingefasste Videoleinwand, drei Background-Sänger, zwei charmante Amateur-Tänzer, Chris Lowe, der stoisch die pulsierenden Beats und einprogrammierten Synthesizer-Symphonien aus seinem Computer holt, und Neil Tennant, der Oscar Wilde mit Halbglatze. Das reicht völlig.




„Electronic Entertainment” werde man bieten, kündigt er am Anfang an, und nichts anderes ist der Hit „Always On My Mind”. Tennant schreitet schmunzelnd, mit schwarzem Gehrock und Zylinder, den Bühnenrand ab, während im Hintergrund riesenhafte Köpfe von ihm und Lowe erscheinen, auf denen die Tänzer turnen, mit Blumen-Perücken und Stubenfliegen-Brillen.




Ohne dass die Party dafür unterbrochen würde, hagelt‘s immer wieder Sozialkritik. Für die Antikriegshymne „The Sodom And Gomorrah Show” hat sich Tennant als Garde-General in Schale geworfen, während er von Tod und Zerstörung singt.




Es sind diese Brüche – das Erhabene inmitten des überdrehten Kindergeburtstags, die Ernsthaftigkeit inmitten der Ironie – die die Pet Shop Boys so spannend machen. Man kann allerdings immer dazu tanzen. „Fantastisch!”, näselt Tennant am Ende der Show. Man merkt, das ist ihm das Wichtigste.

Taken from: Münchner Merkur
Interviewer: Johannes Löhr