Pop von A-Z

‘Neil Tennant und Chris Lowe sind die Pet Shop Boys.


Und die Pet Shop Boys sind der Inbegriff des Pop.


Keiner versteht es besser, Kitsch und Kommerz zur Kunstform


zu erheben. ME/Sounds über das kleine ABC eines


großen Gespanns.’




Architektur: Christopher Sean Lowe, geboren am 4. Oktober 1959 in Blackpool, hat Architektur studiert.

Berichten zufolge soll seine Londoner Wohnung ein Yuppie-Penthouse-Traum sein. Lowe, der stille, schlichte und

hintergründige des Duos, liebt das gute Leben und schöne Formen. Architektur ist auch das Motto der Rückehr

der Pet Shop Boys auf die Bühnen der Welt – ihre erste große Tour seit neun Jahren wird von der Londoner

Architektin Zara Hadid inszeniert. Das Bühnenbild wird nach Aussage des Duos ‘sehr dekonstruktivistisch

und sehr abstrakt’.



Being Boring: Auf dem Cover des Albums Actually sieht man Neil Francis Tennant, geboren am

10. Juli 1954 in Northumberland, herzhaft gähnen. Das dazu passende Stück eröffnet die drei Jahre später

veröffentlichte Platte Behaviour: ‘Being Boring’ ist, auch wenn es im Text verneint wird, ein

zentrales Moment des sprichwörtlich semi-ernsthaften Pet Shop Boys Understatements. Tennant und Lowe

behaupten, nicht mehr als gepflegte Langeweile zu bieten. dass die ganze Sache bei alledem aber überhaupt

nicht langweilig, sondern – im Gegenteil – wunderbar unterhaltsam ist, geht ohne sagen, wie es in

Großbritannien so schön heißt.



Corny: Und wieder eines dieser wunderbaren englischen Worte, die nicht zu übersetzen sind. Die

Bedeutung von corny liegt irgendwo zwischen kitschig und blöd, ein anstößiger Witz kann corny sein,

oder eine Weihnachtssingle zu machen – wenn da nicht der Text wäre. Denn die Pet Shop Boys fokussieren natürlich

eher die negativen Aspekte von Weihnachten, wie z.B., dass es entgegen allen anderen Pop-Weißheiten niemals

schneit, sondern immer grau und regnerisch ist. Auch die neue, in hüftstoßender Village-People Tradition

stehende Single ‘New York City Boy’ ist nach Tennant´s distanzierter Selbsteinschätzung corny. ‘Aber wie

viele Dinge, zu denen die Leute corny sagen, hat der Song etwas überschwengliches’. Das Video zu dem

betont homophilen Stadion-Hit stammt vom gleichen Regisseur, der auch ‘Go West’ in bewegte Bilder verpackt hat

und zeigt die Boys bewegungslos im Studio 54, während Andy Warhol und Bianca Jagger um sie herumwuseln.



Disco: Die musikalische Initialzündung von Chris Lowe hieß ‘Saturday Night Fever’. Neil Tennant

mußte bevor er sich dem wahren Hedonismus hingab, erst von seiner Progrock-Manie geheilt werden. Dafür

bedauert er heute, in den 70ern nicht in New York gewesen zu sein: ‘Die Musik war großartig, und sie hat

die Zeit überlebt.’ Lowe: ‘Sie ist sogar noch populärer als damals.’ Tennant: ‘Vor allem hat sie jetzt

den Respect der Kritik. Niemand bestreitet heute, dass Abba fantastisch waren. Oder die Bee Gees. Der ganze

Roch-Scheiß bekam immer die aktuellen Titelgeschichten, aber die großen überschwenglichen Platten sind es,

die überleben.’ Deswegen ist Disco, oder dessen abstrakte Tochter House nach wie vor das Rückgrat im

Pet Shop Korpus. Mehrwert bekommt der Rhythmus, indem das Stampfen und Pluckern mir Harmonien und Streichern

überlagert wird, und spätestens Tennants ätherisch-weiche Stimme macht aus schlichtem Disco-Sound wahre

Disco-Balladen, den Schlüssel zum großen Pop.




Ich mag es, 45 zu sein.


Die Popmusik hat sich verändert.


Es gibt Leute, die 15 Jahre älter sind


als wir und Pop machen.


(Neil Tennant)




Essen: ‘Was ist das Beste, was in den nächten 30 Minuten passieren könnte?’ Eine ungewöhnliche

Interview-Frage. Die Antwort von Chris Lowe ist ebenso kurz wie desillusionierend. ‘Das Essen könnte gleich

kommen’, sagt er, und Neil Tennant schließt sich heftig nickend an. Es ist Mittagszeit, und der Pop-Adel

hat Würstchen mit Sauerkraut bestellt, was seine momentane Konzentration vollständig ausfüllt. Chris Lowe

verlautbart schließlich Spektakuläres. Sein liebstes Getränk ist Earl Grey Tee. Die Pet Shop Boys mögen

Plaudereien, keine Interviews.



Futurismus: Pet Shop Boys – Inszenierung. Wie schon in Tokyo und in London errichten Lowe und Tennant

auch in Köln das gleiche Interview-Szenario: eine Galerie, in der ein gläsernes Leucht-Podest aufgestellt

wird, auf dem man sich gemütlich von vier kleinen Stadion-Scheinwerfern von unten beleuchtet, in Thonet-Stühlen

drapiert. Blos keine Normalität aufkommen lassen. Design und Ästthetikfragen sind von oberster Priorität.

Dabei samplen sie zwar, wie alle anderen auch, aus der Geschichte, sind aber in ihrer Kombination der

verschiedensten Elemente immer wieder einen Schritt voraus. Und sei es, weil sie manchmal beharrlich

stehenbleiben.



Glamour: Die aufwendige Einkleidungszeremonie des Videos zu ‘I don´t know what you want but I can´t

give it any more’ lehrt: der urbane Flaneur trägt Gold, die Haare hoch und legt eine Portion Schminke mehr

auf. Von Anfang an, spätestens aber seit den grellen Baukasten-Kostümen von ‘Very’ ist klar, dass die

Pet Shop Boys das Gegenteil von bodenständig sind. Denn ‘I´ve got the brain, you´ve got the looks’

stimmt insofern nicht, als dass keiner von beiden ‘The Looks’ hat. Schon deswegen ist die Maske alles.

Tennant: ‘Es geht nicht darum, sich wohlzufühlen, aber ich glaube, es ist gut das zu tun. Es stärkt mich,

verkleidet zu sein. Es lässt mich größer fühlen und es gibt mir Sicherheit.’ Sie wollen Sachen machen an die man

sich erinnern kann. Erinnerungen sind die große Stärke des Pop. Jeder in ihrem Alter erinnert sich an David

Bowies Auftritt in ‘Top Of The Pops’. Das sind Sachen, bei denen Leute von ihrer Zeitung hochgucken,

Das ist Glamour.



Homosexualität: ‘In Denial’, das schmachtende Duett mit Kylie Minogue, ist ein typischer Pet Shop Boys

Text. Neil, der Vater, beichtet Kylie, der Tochter, seine Homosexualität, sie versteht und beruhigt. Ansonsten

ist die nach wie vor marginal thematisierte sexuelle Orientierung der Pet Shop Boys fast das einzige,

für das sie konkret aktiv werden. Schwul zu sein macht das Leben nicht leichter, auch, oder manchmal sogar

gerade, nicht als Popstar, zumindest wenn Hip-Hop und Guns´n´Roses nebenan sind. Deswegen führen sie ‘Gay-Pride’

Demonstrationen an und geben einen Teil ihrer Erlöse an AIDS-Stiftungen.



Ironie: Lexikon: feiner verdeckter Spott, mit dem man etwas dadurch zu treffen versucht, dass man

es unter dem auffälligen Schein der eigenen Billigung lächerlich macht. Folgen wir dieser Definition, so sind

Tennant und Lowe keine Ironiker, zumindest ist in ihrem feinen, verdeckten Spott viel aufrichtige Liebe

und manchmal, wie bei ‘It´s a sin’ oder der ganzen ‘Bilingual’-Platte, kommt der Spott auch gar nicht vor.

‘Wir sind viel gefühliger, als die Leute denken’, betont Tennant, ‘und viel weniger clever’. Was natürlich

auch ironisch sein könnte.



Japan: Das Land der pefecten Inszenierung ist ein guter Platz für die Pet Shop Boys. Hierher kommt

ihr Haus und Hof Styylist Issey Miyake, und auch ihr neuer, wunderbar elektrischer Look ist zumindest zum

Teil japanischen Traditionen entliehen. Die daumendicken Augenbrauen kommen aus dem hyper-stilisierten

Kabuki-Theater, die Pluderhosen sollen Samurai-Ritter symbolisieren. Dazu etwas Disco-Gold, etwas Glamour

und Parücken-Punk – fertig ist der Pet Shop Boy.



Köln: Parallel zur diesjährigen Popkomm wurde die Rheinmetropole vier Tage lang zur offiziellen

Pet Shop Boys-Hauptstadt erklärt und mit Partys, Pressekonferenz, Interviews und Pressemitteilungen gefüllt.

Zwischenzeitlich gingen sie aus, wie zum Beispiel in den gepflegt hippen ‘Stadtgarten’. Tennant: ‘Wir wollten

eigentlich rein, aber niemand war drin.’ Lowe: ‘Und es war ganz schön teuer.’ Tennant: ‘Ja 15 Mark, ganz schön

viel für einen Mittwoch.’ Lowe: ‘Dann sind wir durch diverse Bars gezogen.’ Tennant: ‘Und zum Schluß

in einer Travestie-Bar gelandet.’ Das lieben sie: unerkannt in fremden Städten ausgehen. Aber nicht zu zweit,

sondern immer mir dem ganzen Stab, so dass in jedem Fall für Unterhaltung gesorgt ist.



Liebeslieder: Natürlich schreiben die Pet Shop Boys Liebeslieder. Nur heißen sie anders. Zum

Beispiel – wie auf dem neuen Album – ‘You only tell me you love me when you´re drunk’. Dezenter Spott

weist darauf hin, dass ihnen an Festigung der bürgerlichen Ordnung durch romantische Verklärung nicht gelegen

ist. Dabei sind sie aber keinesfalls unromantisch. Nur dass die Romantik der Pet Shop Boys immer ein

hintergründiges Grinsen hat. Wie bei jeder Regel, gibt es auch hier eine Ausnahme: ‘One in a million’ vom

´94er Album ‘Very’ isr ein ausgemachtes Liebeslied – von Mann zu Mann.



Millenium: Passiert ohne den Support der Pet Shop Boys.



Nightlife: So heißt es nun, das neue am 11. Oktober veröffentlichte Album, und wieder besteht der

Titel nur aus einem Wort. Produziert von dem mächtigen Triumvirat, dem New Yorker House-Gott David Morales,

Massive Attack- und Madonna Streicher-Arrangeur Craig Armstrong und Rollo von Faithless, bietet ‘Nightlife’

alles, was das nach Pop dürstende Gemüt verlangt: Up- und Downtempo, Tanz und Tragik, Hits und Hymnen.

Die Latin-Exkursionen von ‘Bilingual’ sind vorbei, jetzt wird wieder mit Disco-Strings geschmachtet.

Weibliche Gäste heißen Kylie Minogue und erhöhen den Zuckergehalt. Opulenz und Abwechslung bei unverändert

hohem Kitsch-Faktor. Großes Entertainment.



Opportunities (Let´s make lots of money): Von der zweiten Single an war alles klar. Mit der zentralen

Zeile ‘I´ve got the brains, you´ve gor the looks, let´s make lots of money’ erklären Tennant und Lowe alles,

auch ihre Strategie in Sachen Entertainment. Seitdem ist das Koordinatensystem gesteckt, und zwei Sachen

sind transparent: 1. Die Pet Shop Boys lügen uns nichts in die Tasche, 2. Und wenn, dann haben sie es

vorher gesagt. Natürlich sind die Irretationen damit nicht vorbei, doch werden sie eher auf B-Seiten behandelt,

nicht auf Alben. Ob sie manchmal erschreckt sind von den Möglichkeiten, die dieses System bietet? Ob sie

nicht mal eine Heavy Metal-Platte machen oder Nackt auf der Bühne stehen wollen? Tennant (feines Grinsen):

‘Wollen wir glücklicherweise nicht. Wobei, vielleicht beides zusammen – eine nackte Heavy Metal Platte…’

Tatsächlich gibt es wenig, was die beiden Herren in letzter Zeit beeindruckt oder gar neidisch gemacht

hätte. Außer ein wenig französischen Kitsch villeicht. Tennant: ‘Das einzige Mal, dass ich wünschte, wir hätten

diese Musik gemacht, war im letzten Jahr bei Air. Gute Songs. Starke Ästthetik.’



Punk: ‘Punk und Disco passierten zur gleichen Zeit. Und es gab Bands wie Blondie, eine New Yorker Gruppe,

die Disco-Stücke gemacht hat, wenn auch zuerst, um sich darüber lustig zu machen. Das haben mittlerweile

viele Leute vergessen.’ Tennant mag die Sex-Pistols, und vor kurzem erst hat er sich ‘London Calling’ von

The Clash gekauft. Für ihn sind Disco und Punk keine Gegensätze, es geht alles zusammen. Deswegen auch ihre neue

New-Wave-Punk-Frisur als Kostümierung zu einer Musik, die Von konkretem gesellschaftlichen Anspruch

meilenweit entfernt ist. Denn wenn auch die Schublade ‘Postmoderne Ironiker’ viel zu eng ist – der Wunsch

nach Autentizität, der Appell an Gefühle, das Buhlen um Auseinandersetzung liegt dem Kunstprojekt fern. Was

dazu beiträgt, dass sich zwar die unterschiedlichsten Menschen in großer Zahl auf sie einigen können, die Gruppe

von Die-Hard Fans aber für eine Band von dieser Größenordnung erstaunlich klein ist. Kaum mehr als ein Dutzend

Fan Sites wirft die Suchmaschine im Internet aus, eine Zahl, die die alternativ rockenden, (un-)rechtmäßigen

Erben von Punk meist schon nach einer Platte deutlich übertreffen.



Quantität: Compilations und Box-Sets mitgerechnet haben die Pet Shop Boys 16 Alben veröffentlicht,

die Zahl ihrer Singles und EP´s liegt irgendwo zwischen 50 und 60. Fünfzehn davon waren alleine hierzulande

in den Top 10, die USA und England liefern sich in Bezug auf Nummer Eins Hits ein hartes Kopf an Kopf

Rennen. Zusammen addiert sich das auf 24 Millionen weltweit verkaufte Tonträger. Ganz ordentlich für ein

paar schwarzhumorige und nicht besonders attraktive Sonderlinge.




Mein Problem sind alte Fotos.


In einer Position wie unserer


wird Dein Älterwerden katalogisiert.


(Chris Lowe)




Realität: Der große Saar des ostasiatischen Museums zu Köln erstarrt in peinlich berührtem Schweigen. Niemand

spricht, bis sich einer der beiden kostümierten Gestalten auf der Bühne herabläßt zu antworten. ‘Wir sind

eigentlich ganz normal’, näselt Neil Tennant mit gelangweilt-amüsiertem Unterton, der soviel soviel sagt

wie: ‘sowas dummes könnt auch nur ihr Deutschen fragen’. Der Stein des Anstoßes kam aus der zweiten Reihe

der geladenen Presseschar. ‘Wer sind die Menschen hinter den Masken?’ verlangte es eine aufgeregte Journalisten

zu wissen – eine Frage, die zumindest in dieser Form gestellt, in etwa so sinnvoll ist, wie die Bitte an

einen Komiker, seinen Witz zu erklären. Natürlich sind Lowe und Tennant normale Menschen. Ganz normale

schwule Multimillionäre. Neil wollte entweder Pop-Star oder Papst werden. Eines der ersten Interviews mit

ihm führte die virtuelle Medienfigur Max Headroom. Soviel zum Thema Realität.



Stil: Sie sind diejenigen Popstars, die wir jederzeit zum Tee einladen könnten und uns dabei sicher

wären, dass sie auf gar keinen Fall underdressed kommen und dass das Porzellan heil bleibt. Was nicht nur

eine Frage des Stils ist, sondern auch der Höflichkeit. Hier wird nicht gelacht, jedenfalls nicht vor der Kamera

Was die Ästethik angeht, so ist eine neue Platte der Pet Shop Boys viel mehr als ein neuer Schwung Futter

für die Charts. Es ist eine neue Saison, vergleichbar vielleicht mit einem revolutionären Layout oder

einem guten Witz von Jean-Paul Gaultier, nur eben ein paar Millionen mal häufiger verkauft. Wobei wohl

kaum jemand die aktuelle Kombination aus goldenen Bomberjacken, blondierten Perücken und dicker weißer

Schminke kopieren dürfte. Aber darum geht es auch nicht. Es geht um eine neue Losung. Und die heißt in diesen

Zeiten von ästhetischem Minimalismus passenderweise Körper und Opulenz.



Theater: Auch wenn es als logische Fortsetzung ihrer Maskerade erscheint – Schauspieler wollen Lowe

und Tennant nicht werden. Lieber machen sie einen Animationsfilm als sich selbst vor die Kamera oder auf

die Bühne zu treten. ‘Letztes Jahr’, b richtet Tennant immer noch sichtlich erschöpft, ‘haben wir zweieinhalb

Wochen in einem Londoner Theater gespielt. Seitdem habe ich einen Höllenrespekt vor Schauspielern, die

über Monate das gleiche Stück spielen. Weil alle Shows ausverkauft waren, haben sie uns gefragt, ob wir

Martinees machen. Aber das war mir zu viel.’ Dafür schreibt er jetzt an einem Musical, das auch ‘Nightlife’

heißen soll. Aber spielen werden das andere.



Urbanität: Die Pet Shop Boys sind Flaneure der Großstadt, der Landsitz ist, auch wenn er ihnen gut

zu Gesicht stünde, noch weit entfernt. In den Metropolen sind sie Privatleuten und Popstars, und hier sind

auch ihre Konsumenten. Dies ist Musik für Partys und Penthäuser, und das ganz reale Leben pendelt zwischen

London und New York mit gelegentlichen Abstechern nach Tokyo und Rio.



Variation: Tennant: ‘Ob das Leben der Kunst folgt, oder die Kunst nur eine bestimmte Variation des

Lebens ist? Das ist und bleibt eine große Frage.’



West End Girls Das zweimal veröffentlichte Stück, mit dem alles begann. Es war 1983, und Tennant war

in New York, um The Police zu interviewen. Viel mehr als das Gespräch mit der ungeliebten Band

interessierte ihn aber ein Treffen mit Bobby ‘O’ Orlando, dem legendären New Yorker Disco Produzenten, dem

Inbegriff der sogenannten ‘Hi-Energy’ Tanzmusik. Während eines strategisch vorbereiteten Essens gelang es

Tennant, das Idol davon zu überzeugen, seine bis dato nur auf dem Papier existierende Gruppe zu produzieren.

Das Resultat hieß ‘West End Girls’ und interessierte außer ein paar Clubs in Kalifornien niemanden. Erst

die ein Jahr später mit Stephen Hague neu abgemischte Version startete durch, das aber auch so richtig:

anderthalb Millionen verkaufte Singles und die Nummer Eins in zehn Ländern verwandelten den kommenden Weg

der Pet Shop Boys in eine Allee.



XY: Oder: unbekannt. Und mit Unbekanntem umgeben sich die Pet Shop Boys ungern. Wie groß das Superstar-

System auch sein mag, es basiert auf Freundschaft. Natürlich sind sie auf den Partys, wo sich die Prominenz

die Hand gibt, aber im Arbeitsalltag muß alles familiär zugehen. Tennant: ‘Es sind fast alles Freunde. Die Party

gestern abend war zwar die offizielle Pet Shop Boys-Popkomm-Party, aber sie hat sich wirklich nicht so angefühlt.’



Zeitlos: ‘Ich mag es 45 zu sein, es fühlt sich gut an. Außerdem hat sich Popmusik verändert. Es gibt

Leute, die 15 Jahre älter sind als wir und Pop machen. Das Beste, was ich dieses Jahr gehört habe, kam

von einer 53 Jahre alten Frau, Cher’. Lowe: ‘Mein Problem sind nur alte Fotos. In einer Position wie

unserer wird Dein Älterwerden katalogisiert. Und wenn ein Fan kommt, um sich ‘West End Girls’ signieren

zu lassen, wirst Du immer wieder daran erinnert.’ Tennant: ‘Wir machen keinen sexy Teen-Pop, das wäre

lächerlich. Wir machen die Musik, die uns ganz natürlich in den Sinn kommt. Wir sind aber auch nicht sonderlich

erwachsen, deswegen klingt unsere Musik auch nicht wirklich alt.’ – Sondern zeitlos. Tennant schenkt mir ein

offenes, freundliches Pop-Star-Lachen. ‘Ja’, sagt er in all seinem eitlen, ironischen, distanzierten,

ehrlichen und sympatischen Understatement, ‘das ist es, Zeitlos, Classic.’

Taken from:
Interviewer: Holger In´T Veld