Pop-Beats auf dem Panzerkreuzer

Regisseur Sergej Eisenstein hatte sich 1925 gewünscht,


dass jede Dekade eine neue Musik zu seinem ‘Panzerkreuzer


Potemkin’ hervorbringt. Die Pet Shop Boys nahmen ihn beim Wort.




‘Eisenstein wäre begeistert gewesen’, meint Neil Tennant von den Pet Shop Boys. ‘Er wird sich im Grabe umdrehen’, glaubt hingegen sein Kollege Chris Lowe.

Auf jeden Fall handeln die Pop-Ikonen mit ihrer neuen Komposition ganz im Sinne des legendären russischen Regisseurs, der sich schließlich gewünscht hatte,

dass jedes Jahrzehnt eine eigene Hintergrundmusik zu seinem Stummfilm-Klassiker ‘Panzerkreuzer Potemkin’ hervorbringe. Die Version der Pet Shop Boys wurde

am 12. September 2004 vor 25.000 Leuten am Trafalgar Square in London uraufgeführt.




Kein Original




‘Panzerkreuzer Potemkin’ wurde bis heute immer wieder neu interpretiert. Unter anderem, weil es kein zuverlässiges Original gibt. Durch rigide

Zensurmaßnahmen, das Hinzufügen einer Geräuschspur oder Veränderungen in der Laufgeschwindigkeit ist das Original-Negativ der Filmrolle heute nur noch ein

Wrack, und die zahlreichen Kopien unterscheiden sich. Dieses Problem hatten auch Tennant und Lowe bei ihrer Arbeit: Die Version, die sie vertonten, hatten

sie sich als DVD zugelegt. Als sie für die Projektion in Moskau ein Negativ bestellt hatten, stellten sie fest, dass dieses mehrere Minuten kürzer war.



Ein Original der Hintergrundmusik existiert noch weniger: Bei der Uraufführung 1925 wurde ein Medley aus Werken von Beethoven, Tschaikowsky und anderen

gespielt, ein Jahr später vertonte der radikale deutsche Musiker Edmund Meinel den Film. Diese Version gilt vielen als die ‘echte’, da Meinel mit dem

Regisseur zusammenarbeitete. Eine der Anforderungen Eisenbergs war gewesen: ‘Rhythmus, Rhythmus und vor allem reiner Rhytmus.’




Rhythmisches und Eigenwilliges




Diese Bedingung erfüllen die Pet Shop Boys auf jeden Fall. Mal mehr, mal weniger harte Elektro-Beats bestimmen den Panzerkreuzer-Sound den ganzen Film

lang. Eigenwillige Akzente setzen die Popstars durch ihre Zusammenarbeit mit den Dresdner Sinfonikern. Zuerst wollten Tennant und Lowe gar kein Orchester

verwenden. Doch als sie die CD ‘Mein Herz brennt’ mit Rammstein-Adaptionen von den Sinfonikern hörten, überredeten sie das Orchester zur Mitwirkung und

ließen 26 Streicher einfliegen. Auch drei Vocals sind in dem Soundtrack enthalten, die Piano-Ballade ‘No Time For Tears’, die Abschlusshymne ‘For Freedom’

und das siebenminütige Drama ‘After All (The Odessa Staircase)’. Zu Recht haben sich die beiden für dieses Stück besonders ins Zeug gelegt, gilt doch

die Szene auf der Treppe von Odessa als die zentrale Stelle des Films, als eine meisterhafte Demonstration von Eisenbergs Montagetechnik und als eine der

meistzitiertesten Szenen überhaupt.




Der erste Revolutionsfilm




In ‘Panzerkreuzer Potemkin’ geht es um eine Schiffsbesatzung, die sich wegen Würmern in der Verpflegung gegen ihre Oberen auflehnt. Bei dem Aufstand

wird ein Matrose erschossen. In der Hafenstadt Odessa bahren seine Genossen seine Leiche mit den Worten ‘Nur für ein Stück Brot!’ auf – die Stadtbewohner

nehmen Anteil und versammeln sich mit der Besatzung am Hafen. Doch regierungstreue Kosakentruppen zerschlagen den Menschenauflauf, was zu einem

schrecklichen Massaker auf der Treppe von Odessa führt.



‘Panzerkreuzer Potemkin’ ist ein politischer Film, ein sowjetischer Propaganda-Film – doch nichtsdestotrotz ein großes Kunstwerk, das von europäischen

Filmschaffenden zum ‘Besten europäischen Film aller Zeiten’ gekürt wurde. 80 Jahre nach der Uraufführung und 100 Jahre nach den im Film behandelten

Ereignissen ist er nun mit einem aktuellen Soundtrack zu sehen.

Taken from: Kultur ARD.de
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