Pet Shop Boys sind überhaupt nicht bedrohlich



Pet Shop Boys sind Legenden. Kein Wunder, denn nach dreißig Jahren im Business und der nunmehr elften Platte ist ihr Sound noch immer unverwechselbar. Zum Release von Elysium spielten Neil Tennant und Chris Lowe ein exklusives Konzert in Berlin, das von electronicbeats by Telekom in die ganze Welt gestreamt wurde. Kurz vorher rissen sich die Journalisten um Chris Lowe und Neil Tennant, ich war abends um acht der Letzte in einer langen Reihe von Fragestellern. Trotzdem oder gerade deshalb gaben sich die Pet Shop Boys locker und gesprächig und erzählten offen von ihren Erlebnissen in Tokio, Peking und Prag. Und über hochdekorierte Fans im Ostblock.





Das wievielte Interview in den letzten Tagen müsst ihr nun führen?


Chris: Ein paar heute, ein paar gestern, letzte Woche … Wir haben schon eine ganze Reihe Interviews in letzter Zeit gegeben.





Zählt ihr noch mit?


Neil: Nein, wir zählen das nicht. Das wäre zu deprimierend.





In all diesen Jahren, in denen ihr neue Alben veröffentlicht, den Promotion-Marathon startet, danach auf Tournee geht und wenn alles vorbei ist, wieder anfangt, neue Songs zu schreiben—habt ihr jemals ernsthaft in Erwägung gezogen, etwas ganz anderes zu machen?


Chris: Tatsächlich gab es bei uns nie wirklich große Unterbrechungen, wie bei anderen Bands. Wir haben eigentlich über die letzten dreißig Jahre ziemlich kontinuierlich gearbeitet. Aber weißt du, die wenigsten normal arbeitenden Leute nehmen sich eine längere Auszeit. Wenn ich mir zum Beispiel befreundete Architekten anschaue … Klar, manche nehmen ein Sabbatical. Obwohl genau das eines der tollen Dinge in der Popmusik ist—wir könnten jederzeit eine Auszeit nehmen.





Bei euren Plattenverkäufen, könntet ihr das ganz bestimmt!


Chris: Es wäre kein Problem. Ich könnte jederzeit beschließen, auf einen Selbstfindungstrip in den mittleren Osten zu gehen.


Neil: Wolltest du nicht mal einen Backpacking-Trip machen?


Chris: Ja, ich will das noch immer.





Hast du das nie gemacht?


Nein, ehrlich gesagt nie. Ich habe mal eine Jugendherbergstour gemacht.


Neil: Naja, da warst du noch Student.


Chris: Ja, das ist schon ein paar Jahre her … (beide lachen)





Reizt es dich, den Rucksack zu packen und einfach loszufahren?


Ja, ich würde gern nach Alexandria fahren. Wir haben uns gestern in einem Restaurant mit dem Kellner unterhalten und er erzählte uns von dieser Kreuzfahrt nach Alexandria und in den Mittleren Osten. Er ist in Barcelona losgefahren und in Dubai angekommen. Ich fand, dass das sehr interessant klang. Ich meine, solange du den finanziellen Hintergrund hast, dass du jederzeit in ein Flugzeug springen und nach Hause fliegen könntest.





Ich bin überrascht, dass wir hier über Reisen sprechen. Ihr müsstet über eure Tourneen doch längst die ganze Welt gesehen haben. Oder habt ihr da keine Zeit für Sightseeing?


Neil: Manchmal haben wir Zeit, manchmal nicht.


Chris: Als wir anfingen, war das sehr frustrierend, weil wir an vielen tollen Orten waren, wie Japan oder so, und nie viel Zeit hatten, diese Orte wirklich zu erleben. Aber mit der Zeit versuchen wir, mehr von den Orten zu sehen.


Neil: Als wir das erste Mal nach Japan gefahren sind, fuhren wir durch dieses eine Stadtviertel von Tokio und wir fragten unsere Begleiter, wie diese Gegend hieß. Wie hieß sie noch?


Chris: Shinjuku.


Neil: Shinjuku. Und sie warnten uns: „Ihr dürft hier niemals hinfahren.“


Chris: „Nie!“ (lacht)


Neil: Und ich sagte, „Alles klar. Wie war noch gleich der Name?“ Kaum dass wir allein waren, nahmen wir uns ein Taxi und sagten dem Fahrer nur „Shinjuku“. (lacht)


Chris: Das war sehr aufregend.





Wie ist Shinjuku?


Weißt du, es gibt dort überall diese furchtbar kleinen Bars.


Neil: Winzig! Vielleicht vier Sitzplätze.


Chris: Mit zwei Leuten sind die voll.


Neil: Heute wird es nicht mehr so sein.


Chris: Ja, das ist wahrscheinlich wie überall auf der Welt, solche Gegenden werden gentrifiziert.


Neil: Aber damals in den 80ern war es sehr aufregend.


Chris: Als wir erstmals in Ländern waren, in denen überhaupt nicht Englisch gesprochen und nicht die lateinische Schrift verwendet wird, das war wirklich aufregend. Du verstehst die Straßenschilder nicht!


Neil: Ich liebe es, morgens im Hotelzimmer aufzuwachen und dann einfach durch eine Stadt spazieren zu gehen, in der ich nie zuvor war. Auch wenn die Stadt oder das Viertel eher gewöhnlich ist, ich fühle mich in solchen Momenten sehr frei.





Was waren denn die interessantesten Orte an denen ihr gespielt habt?


Letztes Jahr waren wir in Peking. Wir haben dort ein Konzert im Museum für zeitgenössische Kunst gespielt. Durch Peking zu laufen, war sehr außergewöhnlich.





Habt ihr jemals in der Sowjetunion gespielt?


Nein. Wir haben mal einen Ausflug nach Ostberlin gemacht, aber nie ein Konzert gegeben. 1987 fuhren wir nach Berlin, um einen Auftritt von David Bowie zu sehen und dann sind wir spontan über den Checkpoint Charlie nach Ostberlin, sind in die U-Bahn gestiegen und zum Alexanderplatz gefahren. Und wir haben direkt nach dem Fall des Kommunismus ein Konzert in Prag gespielt.


Chris: Das war unglaublich. Sie spielten damals in den Tunneln der U-Bahn und auf der Straße noch propagandistische Musik. Und dann tauchten plötzlich Lady Di und Prinz Charles auf.


Neil: Stimmt, Charles und Diana waren da!


Chris: In Prag!


Neil: Und dann fuhren wir in diese Stadt namens Ostrava, ganz im Osten Tschechiens. Oder damals noch der Tschechoslowakei. Wir übernachteten dort im Hotel Atom, das war faszinierend, weil dieses Hotel ein absolutes Relikt der kommunistischen Ära war.





Habt ihr in der DDR gespielt?


Wir sollten mal in einer ostdeutschen Fernsehsendung auftreten, wie hieß das noch gleich, der farbige Kessel?





Ein Kessel Buntes.


Ja. Wir wollten das machen, aber wir hatten keine Zeit. Und als wir einen neuen Termin machen wollten, kam die Wende. Wir haben danach durchaus bereut, die Chance nicht wahrgenommen zu haben.





Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen im Osten verrückt nach eurer Musik waren.


Unsere Alben wurden in einigen Ostblockstaaten gespielt. Wir haben erst letztes Jahr in Rumänien erfahren, dass Ceau?escu höchstpersönlich die Erlaubnis gegeben hat, dass „Always On My Mind“ in Rumänien verkauft wird. Er hat damals selbst die Auswahl getroffen, welche ausländische Musik veröffentlicht wird.





Das bedeutet, dass Ceau?escu eure Musik mochte.


Chris: Upps. (lacht)


Neil: Wahrscheinlich sah er sie einfach nicht als bedrohlich an… Außerdem trafen wir einmal Michail Gorbatschow und seine Tochter. Gorbatschow spricht kein Englisch, aber seine Tochter sagte zu uns, „Als ich aufwuchs, hörte ich immer eure Musik.“ Und wir wissen, wo sie aufwuchs: im Kreml. (lacht)





Ihr habt das Leben im Kreml bestimmt ein Stück bunter gemacht. Vielen Dank!

Taken from: Noisey Blog
Interviewer: Ayke Süthoff