Pet Shop Boys im Theaterhaus

Die Pet Shop Boys lassen sich beim Tour-Auftakt im Stuttgarter Theaterhaus feiern




Es ist vorbei. Der Spaßgeneration wird ihr Ende vorhergesagt. In Studentenmagazinen wird über Soll und Haben diskutiert, im Privatfernsehen wird der Superpraktikant gesucht. Laisser-faire war einmal. Das Savoir vivre kommt nur noch in Kitschfilmen vor.




Genau zur richtigen Zeit veröffentlichten die Pet Shop Boys ein neues Album, das ein Statement seiner Zeit ist, und das man genau jetzt unbedingt braucht. Das Cover ziert lediglich ein Haken, zusammengesetzt aus bunten Quadraten, aussagekräftiger als ein Ausrufezeichen. Die Sache ist erledigt, ein Punkt auf der to-do-Liste kann abgehakt werden. Drei Buchstaben sind wichtig, nur drei Stück reichen aus. „Yes“ heißt das nunmehr zehnte Album des britischen Duos – und Pop ist ihr Auftrag. Das zeigt auch ihr Deutschlandtourauftakt im ausverkauften Stuttgarter Theaterhaus.




Sie machen es sich nicht einfach. Dabei könnte es das sein. Wenn die Pet Shop Boys beispielsweise ein Rockduo wären. Sie bräuchten nicht mehr als Gesang und Instrumente. Die Pet Shop Boys sind aber eine Popband. Und was für eine. Deshalb ist ein Konzert der Pet Shop Boys kein Konzert im eigentlichen Sinne, sondern ein Gesamtkunstwerk, ein visuelles Erlebnis. Der Deutschlandtourauftakt im Stuttgarter Theaterhaus ist ein Multimediaspektaktel, bei dem meistens die Musik im Mittelpunkt steht. Aber eben nicht immer. Das Quadrat hat es ihnen angetan. Inspiriert von Gerhard Richter, erzählten sie in Interviews.




Und als Neil Tennant und Chris Lowe unter viel Applaus der rund 1800 Gäste dann mit Würfelköpfen aus den Wänden, die aus vielen kleinen Quadraten bestehen, entsteigen, wundert das gar nicht. Die Begeisterung ist groß. Seit bald dreißig Jahren sind Neil Tennant und Chris Lowe im Geschäft – und immer noch ist Innovation ihr Ansporn. Das gilt auch für ihre Bühnenshows, die sie als Multimediaspektakel inszenieren. Bei „Building A Wall“ dann stürzt das Konstrukt aus Würfeln hinter ihnen einfach zusammen. Stoische Bauarbeiter in Weiß gekleidet, werden in das Konzept integriert und bauen Würfel auf und ab, schieben sie umher. Dazwischen huschen immer wieder die Tänzer über die Bühne. Die Pet Shop Boys selbst stehen meistens sehr ruhig da. Nur einmal hat man Chris Lowe sogar tanzen sehen. Auf den weißen Würfeln, die auch als Projektionsfläche dienen, steigt die Party im Quadrat: Lowe und Tennant stehen bei „Pandemonium“ steif da, während um sie herum getanzt wird.




Es macht Spaß, den Pet Shop Boys bei der Arbeit, die ihnen scheinbar so leicht von der Hand geht, zuzuschauen. Wie Tennant mit dieser seltsamen, blasierten Singstimme, an die man sich so gewöhnt hat, die großen Hits intoniert, wie er sich immer neue Outfits überzieht und gar ganz klassisch im schwarzen Zweireiher mit Fliege erscheint. Nur manchmal, da schaut er skeptisch, wenn es mit dem Sound hapert. Als dieser mal ganz ausfällt, nuschelt Tennant „passiert eben“ ins Mikro.




Lowe versteckt sich wie immer hinter seinem Synthesizer, dreht an den Knöpfen und sorgt für die Musik. Der eine ist der Nerd, der andere die – nun ja – Rampensau, wenn man davon bei Tennant überhaupt sprechen kann. „Guten Abend Stuttgart“, sagt er. Und fügt an: „Wir sind zurück.“




Tennant und Lowe interagieren kaum, wechseln vereinzelt einen Blick. Hier kommt es auf das große Ganze an. Auf die Projektionen, auf die Tänzer und Backgroundsänger, die ebenfalls die Würfelmasken tragen, wie die Pet Shop Boys zu Beginn.




In den vielen Jahren, die die Pet Shop Boys nun auf der Bühne stehen, haben sich viele Hymnen angesammelt. Fern von der Stadiontauglichkeit eines „Go West“. Natürlich spielen sie diesen großen Hit auch – mit einem Augenzwinkern aber, wenn die Tänzer rhythmische Sportgymnastik dazu aufführen. So sind auch die vielen Outfits, wie etwa die Schulterpolster in XXL von Lowe zu Beginn, mit Ironie zu sehen. Ein Besuch bei den Pet Shop Boys ist aber nicht bloß ein nostalgischer Blick zurück, wie die Begeisterung der Fans ob der aktuellen Single „Love etc.“ zeigt.




Doch eben „Se A Vida E“, „It‘s A Sin“, „Being Boring“ und natürlich „West End Girls“ sind Popsongs im Breitwandformat. Und in der großen Halle des Theaterhauses schweben imaginäre Blubberblasen. In echt regnet es glitzerndes Konfetti. Selbst die mit Federn verzierten, ulkigen Kopfbedeckungen, die sie zu den beiden Zugaben tragen, können den Herren in Sachen Stilbewusstsein nichts anhaben. Die Show der Pet Shop Boys ist irgendwo zwischen Stil und Trash, Ikonographie und Antiheldentum, Hedonismus und Purismus. Die Welt der Pet Shop Boys ist eine kunterbunte. Nur mausgrau kennt sie nicht.

Taken from: Südkurier.de
Interviewer: Anja Wasserbäch