Niemals langweilig sein






Die Pet Shop Boys sind ein Zufall der Popgeschichte – ein ungeplantes Dauerereignis im kurzlebigen Imagezirkus. Als Neil Tennant und Chris Lowe 1985 ihren Vertrag bei Parlophone unterzeichneten, dachte keiner der beiden Briten daran, mehr als ein Album zu veröffentlichen – geschweige denn sieben, wie der Vertrag es vorschrieb.




Beide hatten andere Karrierepläne: Sänger Tennant schrieb für die Musikzeitschrift „Smash Hits“, Keyboarder Lowe studierte Architektur. Beinahe 25 Jahre später haben sie ihr zehntes Album produziert: „Yes“ verkaufte so viele Einheiten wie lange kein Pet-Shop-Werk mehr und erhielt teils stürmische Kritiken. Was ist nur schief gegangen?




Das Duo tat alles, um das Präsentationsgebaren von Popstars wie Wham oder Duran Duran zu brechen: Sie schauten auf Fotos so glücklich aus, als kämen sie gerade aus dem Gulag, sie waren zu alt, um Teeniestars zu werden (Tennant überschritt unfassbare 30 Jahre, als ihr „West End Girls“ Nummer Eins wurde), und sie sangen über komplizierte menschliche Beziehungen anstatt das „Boy-Meets-Girl“-Schema durchzubuchstabieren. Lange überkam einen das Gefühl, wenn die Pet Shop Boys über Liebe sangen, dann standen ihr Schuld und Sühne im Weg. Damit trafen die Briten einen Nerv – nämlich den der physisch und psychisch unterentwickelten Liebhaber. Endlich konnten sie zu ihren kleinen Dramen tanzen. Dafür liebten sie die Synthie-Musiker, aufrichtig und loyal.




Dem treuen Stammpublikum verdanken die mittlerweile ergrauten Pop-Giganten das Überleben. In Zeiten, als ein Album mal nicht so gut klang – und trotzdem den Sprung in die Top Ten schaffte („Release“, 2002). Oder wenn die Band lieber einen Stummfilm vertonen („Panzerkreuzer Potemkin“) und ein Musical komponieren wollte („Closer To Heaven“). Momentan arbeiten die Pet Shop Boys an einem Ballett, das auf einer Geschichte von Hans Christian Andersen basiert und nächstes Jahr in London Uraufführung feiern soll. Der Kanon der Band überschreitet längst eine monodisziplinäre Kulturproduktion.




Zurzeit läuft wieder das Besänftigungsprogramm für die Massen. Die Single „Love etc“ mauserte sich zum Frühjahrsohrwurm, die Tour produziert Madonna-Produzent Stuart Price – ein erklärter Fan. Die Pet Shop Boys haben den Weg vom Unfall zum Monument geschafft. Und ja, sie singen inzwischen sogar über Romantik. Seufz.

Taken from: Zitty.de
Interviewer: Ulf Lippitz