Leben mit den schönen Menschen

Die Pet Shop Boys kultivieren auf „Yes“, dem zehnten regulären Studioalbum in fast 30 Jahren, ihre formelhafte Perfektion. Und sie schreiben auch ihre Geschichte der Sehnsucht fort. Alles wie immer also, auf hohem Niveau.




Als Neil Tennant, Musikjournalist, Nick Lowe, Architekturstudent, 1981 in London traf, deutete nicht viel darauf hin, dass sich hier eines des erfolgreichsten Duos der Popmusik zusammentun sollte. Damals konnte noch niemand ahnen, dass der mit Synthesizern produzierte kühle Pop das Vermächtnis der 80er Jahre werden könnte. Der bemerkenswert durchschnittliche Gesang Tennants und das präzise und schlanke Keyboardspiel Lowes, das sich vor einem meist unfassbar schlichten, schlagerartigen Drum-Rhythmus vereinte, wurde zu einem Trademark über das legendäre Jahrzehnt hinaus. Nur vergleichbar mit dem künstlichen Sound der noch erfolgreicheren Depeche Mode. Das frisch erschienene „Yes“ ist das zehnte Studioalbum der Pet Shop Boys.




Gefühlt haben sie etliche mehr aufgenommen, das liegt an den vielen Remix-Alben und Greatest-Hits-Zusammenstellungen, die auf dem Markt sind. Die Singles sind ungezählt, über 50 Millionen Platten wurden insgesamt verkauft. Die Pet Shop Boys haben etwas geschafft, was nur wenigen Bands gelungen ist: Sie haben Songs für den Ballermann und die Fankurve aufgenommen, und sie gelten trotzdem als intelligente Gruppe für Eingeweihte. In ästhetischer Hinsicht sind sie ein Gesamtkunstwerk, das mit Kegeln als Kopfbedeckung posiert, Videos in schwarzweiß aufnimmt, fröhliche Melodien trällert und schwülstige Dramolette aufführt. Aber neben dem Erreichen einer formelhaften Perfektion haben Lowe und Tennant vor allem ein Werk geschaffen, in dem eine Geschichte der Sehnsucht geschrieben wird. Immer wieder formulieren die Songs der Pet Shop Boys einen Moment der peinigenden Wünsche. v


In „West End Girls“, der London-Hymne, waren es die klassenunterschiedenen West End Girls und East End Boys, die nicht zueinander konnten. Genauso aussichtslos war in ihrer Vergeblichkeit die berechnende Liebe in „Rent“. In den 90er-Jahren wurde die Sehnsucht nostalgischer: In „Being Boring“ und „New York City Boy“ war es die verlorene Jugend, die an die eigene Vergänglichkeit erinnerte. „Home & Dry“ schließlich (mit dem berühmten Tillmans-Video) zitierte eine Art universelles Heimweh.




Auf der ganz simpel „Yes“ betitelten neuen Platte findet sich wieder ein Song, der sich mit der Großstadt beschäftigt (ein weiteres der großen Themen der Pet Shop Boys) und gleichzeitig die Sehnsucht zitiert: „I wanna live like the beautiful people“ singt Tennant in „Beautiful People“, und er klingt heiter in seiner bereitwilligen Einordnung in die Menge der Mediokren, die die Schönen und Reichen bewundern, ohne sie je erreichen zu können. „Yes“ ist das Album, das nur wenige Wochen nach der Würdigung der Pet Shop Boys bei den Brit Awards erscheint, wo das Duo eine Auszeichnung für sein Lebenswerk erhielt. Es ist, wie immer, ein gutes Album geworden. Eines mit Drumcomputern, Sequenzern und nur wenigen akustischen Instrumenten, eines, das den Sommer überdauern wird.

Taken from: Abendblatt.de
Interviewer: Thomas Andre