Die Pet Shop Boys sind in der Frankfurter
Jahrhunderthalle und in der Gegenwart angekommen
Ist ‘Love Comes Quickly’ wirklich schon 17 Jahre alt? Ist es, und ‘West End Girls’ ebenso. Also dann: Mit den Pet Shop Boys kehrten jetzt die Achtziger nach Frankfurt zurück, und die in grellem Orange zuckenden Lichtkegel, mit denen Sänger Neil Tennant und Keyboard-Magier Chris Lowe ‘Love Comes Quickly’ unterlegten, wirkten vom Balkon der Jahrhunderthalle aus betrachtet auf einmal wie ein letztes Lagerfeuer der Generation Golf.
Dabei sind Tennant und Lowe durchaus in der Gegenwart angekommen. Gleich fünf Titel vom neuen Album ‘Release’ hatten sie im Gepäck. Die Single ‘Home And Dry’ diente als Opener, mit ‘London’ gab es die seit dem unvergessenen (diesmal leider nicht gespielten) ‘Suburbia’ sattsam bekannte Pet-Shop-typische Melange aus Großstadtsehnsucht und melancholischer Verzweiflung an eben derselben.
Noch gehaltvoller sind ‘Birthday Boy’ und ‘Love is a Catastrophe’, die auch in der Jahrhunderthalle trotz ihrer eher balladesken Struktur niemals an Spannung verloren. Und das als zweite Auskopplung vorgesehene ‘I Get Along’ wird als einer der schlichtweg besten Pop-Songs des Jahres 2002 in die Annalen eingehen. Wie kaum ein anderer Titel steht er für das, was Tennant in Frankfurt als die ‘neuen Pet Shop Boys’ bezeichnete. Das Duo hat endgültig seinen Frieden mit elektrischen Gitarren gemacht, die nun verstärkt und teilweise sogar dominant zum Einsatz kommen. Der schwüle Bombast der 99er ‘Nightlife’-Tour ist weggeblasen, das Konzert in der Jahrhunderthalle ähnelte ironischerweise dem, was Tennant und Lowe – damals, in den Achtzigern – eigentlich nie abliefern wollten, nämlich einer grundsoliden, konventionellen Rock-Show.
In dieser ist freilich immer noch Platz für die alten, längst dem Disco-Dunstkreis entwachsenen Tanzbodenfeger. ‘Always on my Mind’, ‘Domino Dancing’ oder ‘Being Boring’ erscheinen, je älter diese Stücke werden, als das, was sie wohl immer waren: zeitlose Pop-Perlen. Niemand lässt die Sequenzer so herrlich pluckern wie Chris Lowe und legt darüber einen derart breitflächigen Teppich aus bittersüßen Akkordfolgen, dass er nahtlos mit Tennants hellem Tenor verschmelzen kann.
Das Publikum quittierte das bekannte Rezept mit frenetischem Jubel, sei es bei dem frech, aber gekonnt bei U2 entlehnten ‘Where The Streets Have No Name’, dem pompösen ‘Go West’ oder dem in eine ähnliche Kerbe hauenden ‘New York City Boy’. Die Zugaben, das süffisant zynische ‘Left To My Own Devices’ und das seit jeher triumphal stürmische ‘Its a Sin’ lieferten den adäquaten Höhe- und Schlusspunkt.
Das Wiedersehen mit den lieb gewordenen Klassikern dauerte leider nur 90 Minuten. Aber so ist das mit Lagerfeuern: Sie entsenden noch einen letzten Gruß – wie die rot flackernden Lichter von ‘You Only Tell me You Love Me When Youre Drunk’ –, und dann entschwinden sie unwiderruflich hinter einer Wegbiegung.’
Taken from: Main-Rheiner Online Dienst
Interviewer: Lars-Oliver Hennemann