Drei Jahre herrschte Ruhe in der Tierhandlung.
Doch nun melden sich Chris Lowe & Neil Tennant
alias die Pet Shop Boys mit futuristischen Outfits
aus ihrem Image-Labor zurück.
Auf ihre neue LP und ihre Tournee
darf man gespannt sein.
Ein pitoreskes, leerstehendes altes Gemäuer in London. Nach links sind es 50 Meter zur British Library, dem neuerbauten Hort definitiv aller Bücher in englischer Sprache, rechts liegt der Bahnhof Kings Cross, Ballungspunkt von Drogendealern, billigen Huren und noch billigeren Sandwitchbars. Mitten in einem riesigen Saal des Hauses thronen Neil Tennant und Chris Lowe – allerdings auf einer Plattform, die aussieht, als hätte man am Boden das komplette Licht-Equipment eines Top-Fotografen in Form eines riesigen Fensters arrangiert. Dergestalt werden sie von unten beleuchtet. Erscheint der Bau alt und morsch, so wirken Tennant und Lowe futuristisch und majestätisch. Beide tragen dunkle, metallisch schimmernde Militärjacken und -hosen, wie von einem japanischen Gautier gestylt. Und beide mampfen Schokoriegel. Dies ist ein perfektes Beispiel dafür, wie meisterhaft die Pet Shop Boys die Klaviatur der Stile beherrschen. Das Interview als Performance. Nie nerven sie einen mit den Widersprüchen von Form und Inhalt. Sie klingen so, wie man angesichts ihrer Optik meint, dass sie so klingen müßten – eine intelektuelle, sehr durchdachte Mischung, ernst und ironisch, retro und futuristisch, kompliziert und billig. Die Kulisse, dieser stuck- und schnörkelüberfrachtete Prachtbau – im letzten Jahrhundert das nobelste Hotel Londons, im heute schmuddeligsten Viertel der Stadt dem Verfall überlassen – wurde aus architektonisch-ässthetischen Gründen gewählt. Und weil die Spice Girls ihr Video zu ‘Wannabe’ auf der Eingangstreppe gedreht haben. Auf der Leinwand, die ein Stockwerk höher im Gang unter einem Kreuzgewölbe hängt, läuft das Video zu der neuen PSB-Single ‘I don´t know what you want but I can´t give it any more’ – eine gewitzte, retro-futuristische Collage aus zusammengeklauten Filmclips Und der Beginn einer groß angelegten Kampagne. Das Video kündigt ihr im Oktober erscheinendes Album ‘Nightlife’ an und gibt einen Vorgeschmack auf ihren neuen Look: kurze, blonde Vogelscheuchen Perücken (man stelle sich Iggy Pop als Beethoven verkleidet vor), schwarz gefärbte Augenbrauen, Sonnenbrillen, lange, schimmernde Jacketts, schlabbrige, gestreifte Hemden – all dies abgerundet durch zwei Jagdhunde für jeden. Zumindest ist das einer ihrer neuen Looks. An den anderen arbeiten sie noch. Man wird sehen, was dabei herauskommt, wenn ihre bislang größte und aufwendigste Tournee sie im November auch nach Deutschland führt.
‘Unsere Prämisse für dieses Album war’, so Neil, der wie ein Kraftwerker steif auf seinem Stuhl sitzt, ‘alle Regeln über den Haufen zu werfen und alles mal anders zu machen. Es klingt immer noch nach Pet Shop Boys, weil immer noch ich singe und wir nach wie vor die Songs zusammen schreiben, aber ich denke, der Sound der LP hat wesentlich mehr Tiefe… Hey!’ quiekt er plötzlich aufgedreht, ‘die Sandwiches sind da!’
Die Promoterin trägt ein Tablett mit belegten Brötchen durch die Tür, die ganz und gar nicht nach Designer-Food aussehen. ‘Und auch noch auf Wonderloaf!’ (Weißbrot der billigsten Sorte) ‘Klasse!’ Neil greift zu, redet aber zwischen den Bissen weiter. ‘Das Outfit, das Du im Video gesehen hast, ist erst ein Anfang. Wir entwickeln hier noch – vielleicht machen wir´s noch etwas punkiger. Die Perücken sind doch toll, oder? Ich hab inzwischen ja nicht mehr viel echtes Haar. Sei´s drum, wir haben stets versucht, die Dinge mit jeder Platte anders anzugehen, und nun sollte es halt weniger naturalistisch wirken – eher feierlich, zeremoniell. In einer Zeitschrift sahen wir Fotos von japanischen Samurais, und die wurden prägend für unsere neue Optik. So sollte das erste Video an den Futurismus früherer Tage erinnern – so, wie die Architektur der 70er Jahre, diese Beton-Brutalität, futuristisch wirkte. Oder an Filme wie ‘2001’. Oder ‘A Clockwork Orange’ – der in Vorstadt-Siedlungen im London der 70er Jahre gedreht wurde. – Wo wir am Ende der Dreharbeiten dann auch gelandet sind’
Die Inspiration für diese Songs auf ihrem ersten Album seit drei Jahren ist da etwas schwieriger festzumachen. Neil kramt in Erinnerungen an einschneidende Ereignisse und sagt dann nüchtern: ‘Ich glaube, die Platte ist nicht allzu persönlich, die Texte haben eher eine beobachtende Perspektive. Die letzten Jahre waren, anders als früher, eine ruhige Zeit für mich. Ich habe mir im Norden Englands, da, wo ich aufwuchs, ein Haus gekauft. 25 Jahre lang hab ich in London gewohnt und hätte nie gedacht, ich würde jemals nach ‘da oben’ zurückkehren.’ ‘Zumindest nicht freiwillig’, murmelt Chris, ebenfalls aus dem Norden stammend, dazwischen. ‘Aber jetzt bin ich oft dort und fühle mich sauwohl. Ich habe mir da ein Studio eingerichtet, und ‘Happiness Is An Option’, der zuletzt eingespielte Song des Albums, hab ich vor zwei Monaten dort geschrieben. Ich wollte einfach raus aufs Land. Ich trag so gerne Gummistiefel von Wellingtons!’ ‘Und einen Hund hast Du jetzt ja auch’, stichelt Chris kichernd.
Einen Chihuahua? ‘Nein, einen Lakeland Terrier. Die nächste LP wird wohl ‘Lakeland’ heißen, und das Cover ziert ein Foto meines Hauses’, gluckst Neil Tennant. Er und Chris Lowe sind sich 1981 in einem Laden an der King´s Road über den Weg gelaufen. Neil arbeitete damals im Londoner Büro von Marvel Comics, wo er den amerikanischen Sprechblasen eine britische Färbung geben sollte, Chris, noch Student, machte ein Praktikum in einem Architektenbüro. Ihre musikalischen Vorlieben aber erwiesen sich als so deckungsgleich, dass sie sich bald jedes Wochenende trafen, um Songs zu schreiben.
Zwei Jahre später mußte Neil, inzwischen Jungredakteur beim Teeniemagazien ‘Smash Hits’, mal nach New York, um The Police zu interviewen. Er haßte die Band sehr, und um diesen Trip wenigstens etwas positives abzugewinnen, verabredete er sich mit dem Producer Bobby Orlando, den er und Chris vergötterten. Und wie´s in der Pop-Wunderwelt halt machmal so läuft: Orlando sagte zu, eine Single mit den beiden aufzunehmen und diese gar auf dem eigenen Label zu verüöffentlichen. So kam die Originalversion von ‘West End Girls’ zustande – die, die nicht in die Charts ging (außer in Belgien und Frankreich), aber zwei Jahre später als Vorlage für die von Stephen Hague produzierte Version diente, die dann allüberall auf Platz 1 rauschte.
Schon damals wurden die Pet Shop Boys von der Musikpresse als ‘die akzeptabelste Inkarnation von moderner Popmusik mit Köpfchen’ gepriesen. Tanzmusik für Leute, die es haßten zu tanzen. Eben typisch englisch. Was sie dank ihrer einprägsamen Songs, ihrer distanziert kühlen Texte und ihres meisterlichen Jonglierens mit den Popmelodien und -stilen bis heute geblieben sind. Was ihnen auch Ausflüge in andere Genres samt wechselnden Begleitern (Dusty Springfield, Liza Minelli, diesmal Kylie Minogue) erlaubte.
‘Diesmal’, so Neil, ‘gibt es einiges das eher untypisch für uns wirkt. ‘Boy Strange’ etwa, fast schon ein Rocksong mit all den akustischen Gitarren. Auf dem Demo klang dieser Song beinahe wie Nirvana – unser Produzent Rollo meckerte: ‘Das könnt ihr nicht bringen, die Leute werden denken, Ihr verarscht sie mal wieder.’ Ich sagte: -schmollt geziert- ‘Oooch, aber das tun wir doch gar nicht!’ Ich war nämlich richtig stolz auf meine Aufnahme. Aber was Rollo dann daraus gezaubert hat, das finde ich auch klasse. Er hats futuristisch gemacht. Der erste Track, ‘For Your Own Good’, klingt gigantisch und fast teutonisch. Und mit ‘Vampires’, sehr düster und dräuend, haben wir ebenfalls Neuland betreten.
‘You Only Tell Me You Love Me When You´re Drunk’ ist unser erster Country-Song – Country-Disco – und das erste Mal, dass man bei uns eine Steel-Guitar hört! Ich hatte noch nie so´n Ding in echt gesehen. Klingt dermaßen traurig! ‘Happiness Is An Option’ haben wir als amerikanische Rap- Nummer angelegt – nur wird hier mit britischem Akzent gerappt. – Was gar nicht so einfach ist, weil der Groove immer zur amerikanische Aussprache verleitet. Selbst so traditionelle Pet-Shop-Boys-spielen-Village- People-Kracher wie hier ‘New York City Boy’ haben wir diesmal etwas anders arrangiert. – Mit Streichern.
‘Die Platte heißt ‘Nightlife’, weil die Songs reflektieren, wie so anders Menschen bei Nacht sind. Wie sie losziehen und sich zuknallen – und was das für Folgen hat. Der Song ‘In Denial’, ein Duett mit Kylie Minogue, handelt von einem Karriere-Girl der 90er Jahre, das seinem Vater vorhält, dass er schwul ist, trinkt, raucht, Drogen nimmt und die ganze Nacht rumzieht. Ein Generationskonflikt neuerer Art, wo die Tochter der Moralapostel ist. Und ‘Boy Strange’ – nein, Boy George ist nicht gemeint! – ist einer von diesen ‘katastrophale Beziehung’-Songs, wo dir ein hinreißend schöner, glamouröser Mensch begegnet, du aber spontan weißt, dass die sich hier anbahnende Affäre leider furchtbar schiefgehen wird’.
‘Tat sie das?’ höhnt Chris, aber Neil kontert: ‘Ist ja keine persönliche Geschichte, nur so ein Beziehungs-Strickmuster, das ich schon oft hab ablaufen gesehen. Der einzig wirklich persönliche Song ist ‘Happiness Is An Option’. Hier geht es um eine philosophische Sichtweise, die ich äußerst fragwürdig finde. Man begreift das Gläücklichsein stets als Resultat eines launischen Zufalls, als Zusammentreffen glücklicher Fügungen. Ich aber glaube, dass man die Voraussetzungen zum Glücklichsein selbst schaffen kann. Man hat sein Glück in der Hand. Die erste Strophe handelt von einem schlechten LSD-Trip, den ich in den Siebzigern hatte.’ ‘Und von dem Du bis heute nicht runtergekommen bist’, gackert Chris.
‘Was sogar stimmt’, erwiedert Neil ernst, ‘irgendwie ist das hängengeblieben, dieses Gefühl, völlig die Kontrolle verloren zu haben. Und dass die Welt ein Ordnungsschema hatte, in das ich nicht mehr paßte – ich war felsenfest davon überzeugt, das höre nie wieder auf. Aber im Refrain des Songs komme ich doch wieder raus. Womit ich sagen will, dass man sich nicht von Ängsten und Phobien lenken lassen soll.’
Dafür, dass Glücklichsein so leicht zu haben sein soll, bringt der Song aber sehr viel Einsamkeit und Verzweiflung rüber ‘Nicht Verzweiflung, Unsicherheit schon. Aber es kommt auch darauf an, was man unter Liebe versteht. Sexuelle Liebe hält nicht für immer, denke ich, aber oft entsteht aus Liebe Freundschaft, und so eine Liebe kann halten.’
Die Pet Shop Boys sind immer noch zusammen. Eine erfolgreiche Ehe? ‘So heißt es immer’, sagt Neil. ‘Doch ich glaube nicht, dass hier das Bild Ehe paßt. Obwohl wir vertraglich aneinander gebunden sind. Aber in einer Ehe geht´s ja auch darum, dass man zusammenlebt, dass man Kinder hat – beides trifft auf uns nicht zu. Obwohl wir in punkto Streit jedes miesepetrige Rentnerpärchen uralt aussehen lassen dürften, vor allem auf Tour. Nein, ich glaube, warum´s so lange funktioniert hat, liegt eher daran, dass wir eben nicht andauernd zusammen auf Tour sind.’
Ist ergo der Gedanke an die bevorstehende, (für ihre Verhältnisse) recht ausgedehnte Tournee beängstigend? ‘Nee’, sagt Neil, ‘wir freuen uns darauf. Es sind kleine einmonatige Etappen – zwischendurch haben wir immer eine Woche frei, können heimfahren und die Spülmaschine anschmeißen. Back to reality. Aber darauf, mal wieder eine richtige Show hinlegen zu dürfen, freuen wir uns schon wie Kinder. Schließlich gibt´s ja auch einige Überraschungen. So haben wir für´s Bühnen design eine Architektin namens Zaha Hadid engagiert. Die ist gerade in Berlin mit einem Bauprojekt beschäftigt. Ihre Arbeiten sind sehr futuristisch, und als ich ihre Mappe durchging, da wirkten die Modelle auf mich, wie Bühnendesign. Also baten wir sie etwas zu entwerfen, das sich verschiedenen Hallengrößen anpassen läßt – mal kann man eine aufwendige Show bieten, dann aber muß man in einem kleinen Theater alles auf ein Minimum reduzieren. Doch diesmal können wir den Aufbau verändern – selbst während der Show.’
Das Repatoire, so Neil, biete Songs ‘von jedem unserer Alben.’ ‘Aus jeder Dekade’, fährt Chris dazwischen. ‘Stimmt, so hab ich das noch gar nicht gesehen! Nächstes Jahr spielen wir also schon Songs aus drei Dekaden – nein , es ist sogar einer dabei, den ich Ende der Siebziger geschrieben hab. Macht vier Jahrzehnte! Hey, wir sind ja alt!’
Neu arrangiert und programmiert hat all die Songs ihr neuer Computer Wizzard Peter Schwartz. ‘Wie man weiß, spielen wir ja live, indem wir die Keyboards von Computern live spielen lassen. Tapes gibt es bei uns nicht. Darüber habe ich erst neulich lange mit Boy George diskutiert. Er nörgelte bis zum Schluß aber nur: ‘Wo sollte da der Unterschied sein?’ Der besteht darin, dass der Sound dank dieser Technik die erste, nicht die zweite Generation ist. Zudem kann jederzeit ein Computer mal abstürzen, also bleibt es immer spannend. Überdies haben wir einen echten Keyboarder, vier Background-Sänger plus Disco-Diva – macht zusammen neun Leute.’
‘Zu viele’, knurrt Chris, weshalb wir nun auf ihre mannigfaltigen Aktivitäten der letzten Zeit zu sprechen kommen – ein TV-Duett mit Elton John, ein Auftritt beim Stockholmer ‘Water-Festival’ auf schwimmender Plattform, ein dreiwöchiges Gastspiel im Londoner ‘Savoy-Theatre’ mit dem Performance-Künstler Sam Taylor-Wood, der auf ihrer Version von ‘Je t´aime moi non plus’, der B-Seite der neuen Single, mit Tennant im Duett singt. Viel Engagemant auch in Sachen gay rights – die Pet Shop Boys waren waren Headliner bei den Londoner ‘Gay Pride’-Feiern, außerdem stellte Tennant ein AIDS-Benefiz-Album zusammen, das gleichzeitig ein Tribute an Noel Coward war.
‘Ich hab das gemacht, weil ich Noel Coward mag, und weil ich darauf aufmerksam machen wollte, dass es auch vor den Beatles schon Pop-Songs gab. Mir gefiel diese Idee, seine Songs von Zeitgenossen wie Suede singen zu lassen’ (den einst so verhaßten Sting erwähnt er diesmal nicht), ‘anstatt nur so was nostalgietriefendes daraus zusammenzurühren. Seine Songs waren echt abgründig. Ich wünschte, ich hätte nur die Spur von Noel Cowrds Humor. Obwohl wir diesbezüglich ja hin und wieder auch lichte Momente haben.’
Natürlich diente das ganze auch einem guten Zweck. Denn AIDS ist ja heute kein In-Thema mehr, da es nicht mehr ein Furore wie in den Achtzigern zu generieren vermag. Als man mich also um die Teilnahme bei diesen Aktionen bat, da mußte ich einfach ja sagen. O.K., ich rege mich oft über diesen Begriff namens ‘gay culture’ auf, da hier derart viele, kulturell völlig absurde Mutmaßungen in puncto ‘gay’ grassieren, mit denen ich nichts am Hut haben will. Ich laß mich auch nicht gern typisieren. Aber es hat sich gebessert. Schwul sein ist heutzutage ja schon fast normal. Was zwar begrüßenswert ist, aber die Sache auch etwas langweilig macht’, lacht er. ‘Hey, sogar einer von Boyzone ist schwul, was könnte also normaler sein als das?’
George Michael nicht zu vergessen. Was Neil ‘war doch unfaßbar!’ schreien läßt. ‘Das war das größte Coming Out aller Zeiten – vom Hetero_Sexsymbol zum blöd in einer öffentlichen Toilette ertappten schwulen Lüstling. Da denkst Du noch, das war´s dann wohl für ihn, aber dann verkaufen sich seine Platten in noch gigantischeren Mengen, als je zuvor. Muß trotzdem traumatisch für ihn gewesen sein – er hatte ja ein riesiges Gefolge von weiblichen Teenies. Hatten wir zu Anfang auch – da wurde dann in ‘Smash Hits’ seitenlang debattiert, ob ich wohl schwul sei oder nicht. Das gefiel mir – Spekulationen sind ja viel interessanter als die Wirklichkeit. Aber ich hab das eigentlich immer ganz gelassen gesehen. Die britische Öffentlichkeit ist gottlob nicht auf dem Homophobie-Level der Amerikaner. Ein Freund von mir besuchte mal dies Kaff nördlich von New York City, wo er herkam. In einer Bar sah er sich abends eine Band an, und das erste, was sie sangen, war: ‘I woke up this morning and shot myself a queer.’
Welche Band war das? Guns´N´Roses? ‘Nun, Axl Rose muß restlosam Arsch sein, seit ihm klar geworden ist, dass er schwul ist.’ – Axl Rose schwul?
Beide lachten. ‘Na ja, ähm… es ist einfach lustig, wenn wir all die berühmten Schwulenhasser treffen. Axl kam mal zu einem unserer Gigs in L.A. und sagte hinterher: ‘War ein super Konzert, Mann’, und dass er unser Album ‘Behaviour’ super föände. Im nächsten Ort warteten dann backstage Blumen und Champagner auf uns, eine kleine Aufmerksamkeit Axl´s. Mit Bez und Shaun Ryder von den Happy Mondays wollten wir ja eigentlich nie mehr reden, nach all den miesen Sprüchen, die sie über uns abgelassen hatten. Aber dann kamen sie an, um sich zu entschuldigen. Müssen wohl etwas von der Rolle gewesen sein, als ihnen das rausrutschte.’
Apropos Rolle: Die Pet Shop Boys haben im letzten Jahr auf Wunsch von Regisseur Gus van Sant einen Song für das Remake von ‘Psycho’ geschrieben. Er hieß ‘Screaming’ und basierte auf Neils Erlebnissen mit einer Verehrerin, die ihn monatelang verfolgt hatte. ‘Ich wachte morgens auf, ging zum Fenster. Draußen stand sie und wartete. Bei jedem Wetter . Anfangs war ich freundlich zu ihr, aber daraus schloß sie wohl, irgendwann würde ich sie ins Haus bitten. Einmal rief ich gar die Polizei, doch erst als ich ihr klar machte, wie sauer ich auf sie war, hörte der Spuk auf.’
‘Fans haben manchmal wirklich einen Knall. Immer wenn ich die Bilder von Monika Lewinsky und Clinton in dieser Menschenmenge sah, dachte ich sofort: ‘durchgeknallter Fan’. Ich habe ihr das ganz einfach angesehen. Doch neulich bin ich ihr auf ´ner Party begegnet und kriegte ein schlechtes Gewissen, da sie nicht die Spur verrückt war. Sie wirkte wie ein ganz normales all-american-girl, tanzte auf dem Tisch und amüsierte sich. Seitdem glaube ich, dass sich Clinton einfach gern mit ihr unterhalten hat – weil sie so herzlich ist. Ich hätte noch stundenlang mit ihr plaudern können, aber dann schmiß sich Michael Douglas an sie ran. Doch zuvor hat sie mir noch versichert, Clinton und sie hätten sich einfach gern unterhalten.’
Was mit vollem Mund etwas schwieriger ist, gell? ‘Diesbezüglich wäre ja gar nicht so viel gelaufen, hatte sie mir verraten. Diese ASffäre belief sich auf nur zwei Orgasmen – aber viele Gespräche. Ich kann mir das lebhaft ausmahlen: Wie der President gelangweilt durch´s Weiße Haus latscht, und dann Monika mit ihren Kuhaugen auftaucht und ihn fragt, wie´s ihm geht. Ich kann mir vorstellen, dass selbst ich da schwach geworden wäre. Nur, ihr Ruhm ist leider einer der unerträglichsten Sorte. Und so fragte ich sie: ‘Was planen Sie, in Zukunft zu tun?’ Da schaute sie mich mit ihren großen Augen an, und meinte: ‘Keine Ahnung’ – das stimmt schon traurig.’
Sie selbst seihen nie fanatische Fans von irgendwem gewesen, obwohl Neil seine frühere Beatles-Obsession gesteht: ‘Ich wollte unbedingt wie Paul sein! Ich hatte die Pilzkopfperücke, alles!’ Chris hatte nur ‘ein großes Poster von Cliff Richard in meinem Zimmer, weil mir sein Film ‘Summer Holiday’ so gut gefallen hatte. Aber erst ‘Saturday Night Fever’ weckte mein Interesse für Pop.’
Chris war der, der mich auf Disco anturnte’, erklärt Neil. ‘Ich vollzog gerade den Wechsel von den Beatles zur Incredible String Band. Diese Gruppe faszinierte mich, denn sie war so anders als die Pop- und Prog-Rock- Combos. Dust, meine erste Band, klang auch ein bißchen so.’ Das läßt sich 20 Jahre später sehr überzeugend dahersagen, Fakt aber ist, dass Dust, eine schräge Folkrocktruppe mit bedeutungsschwangeren Songs Marke ‘Can You Hear The Dawn Break’, primär gegründet wurde, um leichter girls aufreißen zu können. ‘Anfangs hatt ich´s noch mit Mädels, doch bald hatte ich´s lieber mit Jungs’, grinst Neil. ‘Ich finde heute mein soziales Leben als Schwuler O.K., aber manchmal denke ich, es wär schön eine 25jährige Freundin zu haben. Sicher würde es tragisch enden.’
‘Garantiert’, stimmt Chris zu. ‘Damals war ich sexuell sehr aktiv. Ich wünschte, ich wär´s noch – heute ist der Spaß ein bißchen perdu. Tja, wenn man älter wird.’
An dieser Stelle müssen wir uns leider verabschieden. Die beiden ruft ein Meeting, danach müssen sie sich ‘endlich mal’ auf die Tour vorbereiten.
Taken from:
Interviewer: Sylvie Simmon