INTERVIEW
 – PET SHOP BOYS

Wie ein altes Ehepaar wirken Neil Tennant (58) und Chris Lowe (52), als wir sie im Kölner Hyatt Hotel zum Gespräch treffen. Seit 31 Jahren firmieren sie schon als Pet Shop Boys. Mit „Elysium“ – der Name ist inspiriert vom Elysian Park in Los Angeles – veröffentlicht das Duo nun sein elftes Studioalbum. Aufgenommen wurde es mit Kanye-West-Produzent Andrew Dawson in L. A., „um einen warmen, kalifornischen Elektrosound hinzubekommen“, wie Tennant erklärt. Im Interview reden die beiden über Gespräche mit Londoner Taxifahrern und ihr schrumpfendes Ego.




SEIT IHREM LETZTEN STUDIOALBUM „YES“ IM JAHR 2009 SIND VIELE POSITIVE DINGE BEI DEN PET SHOP BOYS PASSIERT: SIE HABEN DEN „OUTSTANDING CONTRIBUTION“-PREIS BEI DEN BRIT AWARDS ERHALTEN, IHR BALLETT „THE MOST INCREDIBLE THING“ WURDE MIT DEM THEATRE AWARD AUSGEZEICHNET, UND JÜNGST SIND SIE BEI DER ABSCHLUSSVERANSTALTUNG DER OLYMPISCHEN SPIELE AUFGETRETEN.

Tennant: Ich denke, mit der Würdigung bei den Brit Awards kam alles ins Laufen. In Großbritannien brachte uns das in die Köpfe der Leute zurück. „Yes“ verkaufte sich speziell in Deutschland gut. Und auch die Tour danach war ein riesiger Erfolg. Dabei erinnere ich mich noch gut an die ersten Proben dafür – mit 300 Kartonschachteln auf der Bühne. Unsere Crew war entsetzt, weil das so un-rock ’n’ roll aussah. Aber das Ganze entpuppte sich als clevere Idee.


ES GIBT ZWEI SONGS IHRER NEUEN PLATTE, DIE ZUM SCHMUNZELN BRINGEN. „EGO MUSIC“ KLINGT WIE EINE ANEINANDERREIHUNG VON PHRASEN, DIE POPSTARS IM ALLTÄGLICHEN PROMO-WAHNSINN VON SICH GEBEN. HABEN SIE DAFÜR INTERVIEWS ANDERER KÜNSTLER ANALYSIERT?

Tennant: Ja, natürlich! Mir gefällt übrigens Ihre Reaktion darauf, denn mal soll darüber lachen. Es ist ein humorvolles Stück. Es sind tonnenweise Schnipsel von verschiedenen Interviews, die ich gelesen habe. Manches ist auch einfach nur ausgedacht.


NENNEN SIE BITTE NAMEN!

Tennant: Ich nennen keine. Es geht nicht um Lady Gaga, was man vielleicht vermuten könnte. Aber da gibt es so einige weibliche Sängerinnen, die eine folkige Art des Gesangs haben und auf kleines, unschuldiges Mädchen machen, wenn sie ihr Lied singen.


WENN SIE IN BESAGTEM LIED SINGEN, DASS MANCHE SIE FÜR EINE ÄNGSTLICHE DIVA HALTEN, IST DAS WOHL NICHT AUTOBIOGRAFISCH?

Tennant: Nein, ich tue da nur so, als wäre ich ein Popstar.


ABER SIE SIND KEINER?

Tennant: Wenn man heutige Maßstäbe ansetzt, vermutlich nicht. Die Achtziger-Popstars waren immer sehr cool und reserviert. Ich denke an Prince oder The Human League. Wir waren oft gemeinsam bei TV-Shows in Deutschland. Es war so was wie deutsches Gesetz, dass die Fotografen dich schon bei den Proben fotografieren durften. Niemand von uns mochte das! Also absolvierten wir unsere Proben immer mit dem Rücken zu ihren Kameras. Heutzutage wäre das nicht mehr so. Alle sind so in die Idee von Ruhm verliebt.


DA WOLLEN SIE NICHT MITHALTEN!

Tennant: Nein. Aber was mich noch peinlicher berührt, ist diese gefakte Bescheidenheit. Schauen Sie sich die Popstars und ihre Tweets in den interaktiven Medien an! Alle sind immer so bemüht sentimental und demütig. Es ist so heuchlerisch, denn die einzige Sache, um die es in der Popmusik geht, ist das eigene Ich. Warum würde man sie sonst machen?


IST ALSO JEDE MUSIK EGOMUSIK?

Tennant: Nicht unbedingt. Aber ich denke, da sind einige, die mehr Ego zeigen als andere. Um ein großer Star zu sein, musst du auch ein großes Ego haben.


WIE GROSS IST DENN DAS EGO DER PET SHOP BOYS?

Tennant: Immer so groß wie unsere Plattenverkäufe.


ALSO SCHRUMPFEND?

Tennant: Haha, die Pet Shop Boys haben eigentlich nie wirklich als Popstars gearbeitet. Wir waren immer eher die Typen, die ein Image hatten und es für sich stehen ließen. Wir waren nie eine Seifenoper.


AMÜSANT IST AUCH „YOUR EARLY STUFF“. WAREN ES JOURNALISTEN, DIE IHNEN VORGEHALTEN HABEN, DASS SIE FRÜHER BESSER WAREN?

Tennant: Der Song richtet sich auf gewisse Weise gegen uns. Der Text besteht aus Bemerkungen, die mir Londoner Taxifahrer an den Kopf geworfen haben! Ich sehe Taxifahrer als Repräsentanten der Gesellschaft. Sie hören den ganzen Tag englisches Talk-Radio und haben ihre ganz eigenen Ideen, was mit Popstars passiert.


SIE MÖGEN ES ALSO, SICH MIT TAXIFAHRERN ZU UNTERHALTEN?

Tennant: Sagen wir’s so: Man hat oftmals keine andere Wahl.

Taken from: blu.fm
Interviewer: Katja Schwemmers