Gezähmte Party-Animals






Neil Tennant war richtig gerührt: ‘Dankeschön, you crazy people’, rief der Sänger der Pet Shop Boys am Samstag seinen

Kölner Fans entgegen. Tennant war mit seinem Partner Chris Lowe in die Domstadt gekommen, um das neue Album ‘Release’

live vorzustellen, das am 2. April in den Handel kommt. Ein Ereignis, das sich rund 1200 Zuhörer nicht entgegen lassen

wollten – gelten die Pet Shop Boys doch eigentlich als ausgemachte Live-Muffel.


Innerhalb eines Tages war das Kölner Konzert ausverkauft, nicht schlecht für Popstars, die man eigentlich auf dem

absteigenden Ast wähnt. In den vergangenen Jahren war es etwas ruhiger geworden um die Pet Shop Boys, die zu den

erfolgreichsten Popbands der letzten zwanzig Jahre zählen. Neben einer illustren Serie von 30 eigenen internationalen

Hits hatte das Duo die kurzlebige Karriere von Pop-Nymphe Patsy Kensit angeschoben sowie den beiden alternden Diven

Liza Minelli und Dusty Springfield späte Charterfolge beschert.


Das Erfolgsrezept war immer gleich: Bis ins Detail ausgefeilte und perfekt produzierte Dance-Klänge, angereichert

mit oft sarkastischen Texten über Oberflächlichkeit und Beziehungsunfähigkeit. Die ‘West End Girls’, die lebenshungrigen

Vorstadtmädchen des ersten Pet-Shop-Boys Hits aus dem Jahr 1986, sie dürften inzwischen die Vierzig überschritten haben –

übrigens genau wie ihre Schöpfer.


Einst hatte der britische Avantgarde-Regisseur Derek Jarman die Video-Clips und die Bühnenshows der Pet Shop Boys gestaltet.

Der Aufwand für das Kölner Gastspiel fiel am Samstag deutlich bescheidener aus. Die Lichtshow in der ehemaligen Fabrikhalle

reichte gerade aus, um das Antlitz von Neil Tennant weitgehend im Dunkeln zu lassen. Und auch die einsame Spiegelkugel

unter dem Dach der ‘Live Music Hall’ blieb ausgeschaltet.


Das schmucklose Ambiente stand den Songs der Briten gut an: Das Duo hatte sich drei Musiker als Verstärkung geholt, eine

starke Rhythmus-Abteilung und treibende Gitarrenklänge ließen vergessen, dass viele Pet Shop Boys-Hits weitgehend im Computer

entstanden. Stattdessen funktionierten melodische Pop-Dramen wie ‘New York City Boys’ oder ‘You only tell me that you love

when you´re drunk’ auch in der etwas rockigeren Besetzung.


Die ganze Bandbreite der Band zeigten Tennant und Lowe dann bei den Zugaben: Den Cover Song ‘Go West’ der 70-Jahre-Retortenband

‘Village People’ gab es zuerst nur mit ungewohnt spartanischer Klavierbegleitung, dann schließlich mit angemessenem Bombast.

Und dabei schien es sogar, als ob der scheue Neil Tennant für einen Moment aus sich heraus ging und wie segnend die Hände die

über den tanzenden Fans ausbreitete.


Nach gut einer Stunde trollte sich das Publikum ohne Murren. In einigen Monaten kommen wir wieder, hat Neil Tennant

versprochen.

Taken from: ddp-Wirtschaftdienst
Interviewer: Markus Peters