Erfolg nach Maß

Der eine cool und lässig,


der andere etwas tolpatschig und rauh:


Die Pet Shop Boys geben sich als ungleiches Paar.


Aber zumindest eines haben sie gemeinsam:


Den Willen zum Erfolg und ein Gespür für Hits.



Obwohl unser Publikum eine große Altersspanne hat’, sagte Neil Tennant vor kurzem in einem Interview, ‘ist uns das Teenie-Publikum in

vieler Hinsicht am liebsten. Es liebt uns, weil es uns liebt, ganz simpel und eindimensional, ohne intellektuelle Verrenkungen. Und

es ist immer ein Hauch Sex im Spiel – und darum geht es schließlich in der Popmusik. Anderen Musikern mag es peinlich sein, wenn sie

von Teenagern angehimmelt werden -wir sind ganz glücklich damit.’ Die Pet Shop Boys sind ein seltsames Gespann. Neu Tennant, früher

Mitarbeiter des Popmagazins ‘Smash Hits’, mittlerweile mit graumelierten Haaren, geht stramm auf die 40 zu. Chris Lowe, abgebrochener

Architekturstudent, ist mit Anfang 30 auch nicht gerade mehr ein Jüngling in der Popszene. Die beiden treten meist sorgsam gestriegelt

und mit klarer Rollenverteilung ins Rampenlicht: Tennant (genannt ‘Pet Shop Voice’) ist schick, lässig, souverän; Lowe (‘Pet Shop Noise’)

gibt sich ein wenig rauher. Mit diesem Image und ihrem untrüglichen Gespür für poppige Ohrwürmer landen sie seit 1985, also nunmehr

sechs Jahren, weltweit einen Hit nach dem anderen. Ihre Bilanz kann sich sehen lassen: vier erfolgreiche Alben, 14 Hit-Singles. Schon

der Start der beiden in die gemeinsame Karriere ließ erahnen, daß Tennant und Lowe wenig dem Zufall überließen: Gleich zwei Plattenfirmen

veröffentlichten zum Jahreswechsel 1985/86 die Debüt-Single ‘West End Girls’. Das sorgte für Wirbel – und damit für Aufmerksamkeit. Daß

die Pet Shop Boys zwar raffiniert, aber dennoch das Interesse allemal wert waren (und sind), zeigten sie in den folgenden Jahren. Mit

Songs wie ‘Left To My Own Devices’ oder ‘Domino Dancing’ kultivierten sie ihre leicht unterkühlte Mischung aus locker-lässigen Melodien

und treibendem Computerbeat. Und mit dem alten Elvis-Hit ‘Always On My Mind’ führten sie überaus erfolgreich vor, wie sich eine tränenselige

Schnulze in einen modernen Popsong ummünzen lässt.


Vorwürfe, die Pet Shop Boys würden ihre Songs wie Designer im Computer entwerfen und ihre Musik klänge blutleer und künstlich, kontert

Neil Tennant achselzuckend: ‘Die letzten Platten von Bruce Springsteen, Bon Jovi und Def Leppard sind schließlich auch reine Synthie-Produktionen.’

Er hat gut kontern – schließlich wird alles, was Tennant und Lowe anfassen, zu Gold.


Oder wenigstens fast alles. Denn mit dem Filmprojekt ‘It Couldn’t Happen Here’ mußte das erfolgsverwöhnte Duo aus Großbritannien seinen

ersten Flop wegstecken. Der Handlungsfaden (ein Verrückter jagt Chris und Neil durch Raum und Zeit) war ziemlich dünn, und überhaupt wirkte

der Film mehr wie ein Zusammenschnitt einzelner Videoclips und ließ eine klare Linie vermissen. So verschwand der Streifen auch bald wieder

aus den Programmen der deutschen Kinos, obwohl ihm ein paar Kritiker immerhin Kultfilmqualitäten bescheinigt hatten. Doch was soll’s inzwischen

sind die Pet Shop Boys längst wieder auf der Siegerstraße. Dusty Springfield (am 16. April 1939 unter dem Namen Mary O’Brien geboren und 1962

bis 1966 mit Folk- und Popsongs regelmäßig in den Charts vertreten) verhalfen Neil Tennant und Chris Lowe als Produzenten zu neuen Hits. Und

sogar Liza Minnelli, als Entertainerin und Musical-Star in den USA seit Jahrzehnten eine lebende Legende, schneiderten die beiden Briten ein

zeitgemäßes Klangkleid. Wenig später, nachdem die Erfolge mit Dusty Springfield und Liza Minnelli sie wieder in die Schlagzeilen gebracht hatten,

veröffentlichten die Pet Shop Boys ein neues Album unter eigenem Namen. Und während mit ‘So Hard’ und ‘Being Boring’ gleich zwei Hits kurz

nacheinander die internationalen Charts stürmten, blieb dem rührigen Neil Tennant sogar noch Zeit genug, sich an einem zweiten Studioprojekt zu

beteiligen: Electronic nennt sich diese Band, und neben Tennant gehören ihr noch Johnny Marr (von den Smiths) und Bernard Sumner (von New Order)

an. Eine seltsame Allianz? Nicht unbedingt: The Smiths galten jahrelang als Nummer 1 des britischen Underground, die Band New Order wird derzeit

als einer der Initiatoren des Rave-Booms gefeiert (weil der Trend von ihrer Diskothek in Manchester ausging), und die Pet Shop Boys genießen den

Ruf der smartesten Band Englands…
Taken from: Artikel aus einer Musikzeitschrift um 1989
Interviewer: