Die Pet Shop Boys. Sie sind Ikonen der Pop-Kultur der 80er-Jahre. Das britische Pop-Duo hat fast ein Jahrzehnt die Hitparaden und die Disco-Szene geprägt. Dabei haben sie mit ihren Songs, einer eher simpler Rhythmik und dem Einsatz neuer Elektronik eigentlich nur den Zeitgeist perfekt auf den Punkt gebracht. Einige Jahre schien es, als wäre der Esprit der Vergangenheit verflogen. Jetzt legt die Band ein neues Album vor: Nightlife erhebt den bescheidenen Anspruch, die Zukunft gehobener Kommerzmusik zu sein. Für die Welttournee hat Stararchitektin Zaha Hadid das Bühnenbild entworfen, in zwei Wochen kommen die Pet Shop Boys nach Wien, und wir haben die beiden Pop-Vordenker am Anfang ihrer Tournee in Dublin getroffen.<
Konzertausschnitt – New York City Boy
Schrille Shows mit Comedy Elementen, wild durcheinander gewürfelte Zitate aus der Popgeschichte und clowneske Selbstdarstellungen: die Shows der Pet Shop Boys erinnern ein wenig an perfekt inszenierte Kinderpartys. Die Protagonisten jedoch verstehen sich als Visionäre der Popzukunft.
NEIL: Pop-Musik im allgemeinen geht derzeit in die umgekehrte Richtung. Sie orientiert sich an den 50er-Jahren, wo alles ziemlich konventionell war. Ohnedies selbstverständliche Dinge werden ziemlich langweilig umgesetzt. Unser Weg ist ein anderer. Wir wollen unterschiedliche Kunstformen wie Theater, Musik, Film und Architektur, aber auch neue Medien in einer einzigen Pop-Show zusammenbringen. Natürlich soll die Show unterhalten, es ist aber auch der Versuch, etwas wirklich Neues zu machen.
Konzertausschnitt – It’s A Sin
Konzertbesucher: Eigentlich hatte ich sie schon abgeschrieben, sie haben mich zurück gewonnen, einfach toll!
Zwei andere Konzertbesucher: 1.: Mein erstes Konzert seit neun Jahren. Das heute war brilliant, das beste Konzert aller Zeiten. Ich bin ein Fan.
2.: Das ist scheußlich!
1.: Nein, großartig.
2.: Scheußlich!
1.: Absolut großartig!
2.: Ich hasse diesen Village-People-Disco-Verschnitt!
1.: Hören Sie nicht auf ihn, es ist großartig!!!
Konzertbesucherin (mit blonder Perücke): Eigentlich war ich früher kein großer Fan. Aber jetzt style ich mich wie sie. Diese Blond-Haar- Perücken, diese Augenbrauen, all das Zeug ist ebenso toll, wie die Tatsache, dass sie sich stets neu erfinden.
Konzertausschnitt – West End Girls
Neil Tennant ist eigentlich Historiker. Jobs für ein Comic-Magazin und eine Musikzeitschrift waren Teil seiner Suche nach Identität, die er fand, als er vor 18 Jahren den Architekturstudenten Chris Lowe kennen lernte. Gemeinsam war beiden die Liebe zu elektronisch aufbereiteter Musik. Bereits ihr erster Song ‘West End Girls’, ein Konglomerat aus New Wawe, Avantgare-Elektronik und simplem Disco-Sound wurde ein Welt-Hit.
CHRIS (synchronisiert): Tja, Disco-Sound… Diese Musik kam gerade auf, als ich anfing, in den Clubs herumzuhängen. Ich fand bald heraus, dass der Disco-Sound die erste Musikform war, die mir ein Gefühl von Euphorie verleihen konnte. Man konnte eine gute Zeit damit erleben. Das war endlich etwas anderes, als zu Hause zu sitzen und zu grübeln und depressiv zu sein. Hedonismus pur!. Mag sein, dass dies auch eine Art Flucht vor der Realität ist. Aber was soll’s. Wir machen doch keineswegs Disco-Musik.
Ob Designer-Pop für die Yuppie-Generation oder kluge Parodien auf Disco-Musik – da gehen die Meinungen auseinander. Eines ist dem Duo zweifellos recht gut gelungen: die visuelle Umsetzung ihrer unzähligen Hits in zumeist bizarre Videos.
Videoausschnitte: Can You Forgive Her’, ‘It’s A Sin’, ‘Where The Streets Have No Name (I Can’t Get My Eyes Off Of You)
Konzertausschintt – What Have I Done To Deserve This?
Auch einer Ihrer größten Hits, ‘What Have I Done To Deserve This?’, fehlt auf der aktuellen Tounee nicht. Die erst kürzlich verstorbene 60ies-Ikone Dusty Springfield wird als Gesangspartnerin auf die Bühne projiziert. Das schlichte und doch imposante Bühnenbild stammt von Stararchitektin Zaha Hadid.
NEIL: Wir haben zufällig ein Buch mit Entwürfen der irakische Architektin in die Hände bekommen. Bereits die Modelle ihrer Gebäude sehen wie tolle Bühnendekorationen aus. Wir haben sofort gewusst: Diese Künstlerin muß auch unser neues Bühnenbild entwerfen.
Videoausschnitt – I Don’t Know What You Want But I Can’t Give It Anymore
‘Ich weiß nicht, was du willst, aber ich kann es dir ohnehin nicht mehr geben.’ Auffällig ist, wie Tennant mit Sprache umgeht. Scheinbar simpel formuliert, lassen seine Stories oft die unterschiedlichsten Interpretationen zu.
NEIL: Manchmal wird die Wahrheit als Zynismus fehlinterpretiert. Es gibt zu viele Klischees. Eines davon ist: Die Sprache der Pop-Musik sei der Zynismus; und damit hat man die falsche Erwartung. Eines unserer neuen Lieder heißt ‘Du liebst mich nur, wenn du betrunken bist’ (Anmerkung: Kein Schreibfehler oder falsch gehört, sondern im Beitrag so übersetzt!) Das ist auch nicht zynisch. Es geht um eine Lebensweisheit. Allerdings vermag Wahrheit zu verwirren, wenn man sie in einen anderen, unerwarteten Zusammenhang stellt.
Videoausschnitt – New York City Boy
Hinter dem Erfolg der Pet Shop Boys steht zweifelsohne nicht nur ein kluges Marketingkonzept. Ihre parodistischen Ideen und die perfekten Produktionen brachten ihnen auch viele prominente Fans. Stars wie Tina Turner, David Bowie und Liza Minelli habe schon auf ihre Fähigkeiten als Musiker und Produzenten zurückgegriffen.
Musik: In Denial/Bild: Studioaufnahmen mit PSB & Kylie Minogue
Auch das aktuelle Duett mit Kylie Minogue ist nach einem bewährten Muster gestrickt: einfaches Liedchen mit Ohrwurmqualität, gut produziert und geschickt verpackt. Aber warum klingt das alles nur so verdammt vertraut?
NEIL: Die Leute wollen sich sicher fühlen. Daher wollen sie derzeit vor allem eingängige Unterhaltung und keine Experimente. Das stimmt nicht nur für die Pop-Musik, das stimmt auch für’s Fernsehen, den Film, das Theater. Das hängt auch mit der Panikmache vor dem Jahrtausendwechsel zusammen. Jetzt haben wir diesen kritischen 31. Dezember überlebt und ich denke, es ist bald wieder Interesse für etwas neues da. Und es wird sich eine Menge ändern.
Konzertausschnitt – Left To My Own Devices
Persönliche Anmerkung: In dem Beitrag ist ein gravierender Fehler, was Anmoderation (‘am Anfang ihrer Tournee in Dublin’) und die letzte Passage des Interviews (‘Jetzt haben wir diesen kritischen 31. Dezember überlebt…’) betrifft – aber was solls… ;-).
Taken from: vielen Dank an Konstantin
Interviewer: Michael Riediger