Effektvoll ohne Effekthascherei






‘Tendenzkunst’ war einer der Vorwürfe gegen den Regisseur Sergej Eisenstein. Damals, 1925, als sein Stummfilm ‘Panzerkreuzer Potemkin’ aufgeführt wurde.

Dabei war der junge Mann ein Kämpfer gegen alle damals gültigen Tendenzen: Eisenstein traf wohl als erster Filmemacher den Nerv seiner Zeit. 81 Jahre

später wollen die Pet Shop Boys und die Dresdner Sinfoniker Ähnliches erreichen.



Am 20. Juli soll es soweit sein. Vor einer ungewöhnlichen Kulisse: Der zehngeschossige Wohnblock an der Prager Straße wird dann zur Bühne für ein

ungewöhnliches Projekt. Auf einer riesigen Leinwand soll dort der beste Film aller Zeiten gezeigt werden, im wahrsten Wortsinn umrahmt von der modernen

Vertonung durch das britische Duo und die deutschen Musiker. ’42 Musiker werden zu beiden Seiten der Leinwand live spielen’, blickte der Gründer der

Sinfoniker, Sven Helbig, gestern schon einmal voraus. Er nahm vor Ort vor allem das Dach des Wohnblocks unter die Lupe. An seiner Seite war vor allem

Andy Crookston, der Tour Manager der Pet Shop Boys, der schon einmal auf Balkons Maß nahm und eifrig Notizen machte.



Im Hinterkopf habe er schon grobe Züge der Dramaturgie, die im Sommer die Zuschauer begeistern sollen, sagte Crookston. Auch Sven Helbig hat schon eine

ziemlich genaue Vorstellung davon. ‘Neil Tennant und Chris Lowe sollen auf dem Dach von den Enden zur Mitte aufeinander zu laufen’, sagte er. Dann

machen sich beide rasch auf den Weg in zwei zentral gelegene, leere Wohnungen auf der zehnten Etage. ‘Auf den beiden dazugehörigen Balkons werden sie

dann den Film musikalisch begleiten’, plant Helbig. Und nicht nur sie: Auf weiteren 42 Balkons werden die Sinfoniker sitzen und spielen. Und der Dirigent

soll von einem Kran aus agieren. ‘Vielleicht sollte er einen Dirigentenstab benutzen, der leuchtet – dann wird er zumindest gesehen’, meinte Crookston

und wirkte dabei nicht gerade todernst.



Jedenfalls erwartet die Dresdner eine Live-Vorstellung, wie sie bis dato noch nicht da war – trotz bisheriger Aufführungen in London und Berlin. Denn die

Einzigartigkeit speist sich hier zweifellos aus der Kulisse des Wohnblocks, der innen wie außen den spröden DDR-Charme versprüht. ‘Das gibt dem Ganzen

aber seine Unverwechselbarkeit’, ist sich Helbig sicher.



Sicher ist auch, dass in den kommenden Wochen mit den Mietern gesprochen wird, deren Wohnungen entweder von den Musikern genutzt oder von der 25 mal

19 Meter großen Leinwand überdeckt werden. ‘Wir erwarten aber keine Probleme’, sagte Elke Umlauft von der Woba.



Großartige Musiker, ein erstklassiges Film-Konzert, Unterstützung durch Lichteffekte, ein Eintrittspreis von 10 Euro: gute Gründe dabei zu sein. Mit bis

zu 20.000 Zuschauern wird bislang gerechnet. Rund 200.000 Euro soll die Aufführung kosten, die Stadt stellt 30.000 Euro bereit.

Taken from: CITY NEWS DRESDEN
Interviewer: Torsten Klaus