Die richtige Zeit für Unfug

Alles wie immer: Neil Tennant und Chris Lowe empfangen im Kölner Hyatt Hotel, überbieten sich in der Kunst des knochentrockenen Humors, wieder haben sie ein neues Album dabei. Das jedoch bietet Abwechslung. „Elysium“ klingt ungewohnt nachdenklich und ruhig.




Das Elysium ist der Sage nach eine griechische Insel, auf der die Verstorbenen ein sorgenfreies, paradiesisches Dasein fristen. Warum haben Sie Ihr Album so genannt?


Neil Tennant: Weil wir jetzt allmählich ins Seniorenheim für alternde Popstars gehören. Nein, Ideengeber ist der „Elysian Park“ in Los Angeles, eine wunderschöne, alte Anlage mit Palmen und Gemäuern. Wir fanden das Wort sehr schön. Nichts besonders Prägnantes oder Lustiges, sondern passend zum Thema einiger Songs.



Dem Tod. „Leaving“ behandelt das Sterben einer Liebe, „Invisible“ die Vergänglichkeit als solche, „Requiem in Denim and Leopardskin“ den Tod einer engen Freundin.


Tennant: Ja, auf diesem Album wird viel gestorben. Das hängt sicher damit zusammen, dass meine Eltern 2008 und 2009 kurz hintereinander verstarben. Einige Stücke klagen den Tod an, wenden sich gegen die Idee des Endes als solchem. Und „Elysium“ steht ja auch für das Leben nach dem Tod, für die Hoffnung.



„Winner“ erschien zeitlich passend zu den Olympischen Spielen. Ist der Song als Sporthymne gedacht?


Tennant: Keineswegs. Aber wenn du so ein Stück schon hast und es nicht zu Olympia veröffentlichst, wärst du ja bescheuert. Das Lied ist inspiriert von unserer Tour mit Take That im vergangenen Jahr. Wir waren neidisch auf deren Song „Greatest Day“ und wollten unbedingt auch eine sogenannte „Midtempohymne“ schreiben. „Winner“ basiert locker auf „We are the Champions“ von Queen. Was mir darin nicht gefällt, ist die Zeile „No Time for Losers“. Also verfassten wir diese sanftere, rücksichtsvolle Gewinnerhymne.



Es hat viele überrascht, dass Sie – als gestandene Popmusiker, die nichts mehr beweisen müssen – bei Take That im Vorprogramm auftreten.


Lowe: Ursprünglich hatten wir abgelehnt. Dann haben uns das Konzept und das Bühnendesign überzeugt. Durch diese Tour durch die größten Stadien haben wir unsere Musik einem Publikum nähergebracht, das uns vielleicht gar nicht kannte.


Würdet ihr, wie viele andere Musiker aus den 80ern, Nostalgietourneen machen oder bestimmte, alte Alben am Stück aufführen?


Tennant: Lass mich bloß mit dem Scheiß in Ruhe (lacht). Nein, davon halten wir uns fern. Wir sind an dem interessiert, was wir jetzt machen.


Wie hip sind die Pet Shop Boys 30 Jahre nach dem ersten Welthit „West End Girls“?


Tennant: Wir denken nicht, dass wir hip sind. Manchmal denken die Leute das von uns.


Lowe: Und dann lernen sie uns kennen und erleben eine herbe Enttäuschung.



Wie wichtig ist es, sich immer wieder zu erfinden? Man denke an die orangenen Anzüge zur „Go West“-Phase in den 90ern.


Tennant: Neue Ideen und Ansätze sind sehr wichtig. Man möchte mit Überraschungen punkten. Das ist unser Steckenpferd. Wobei die Ideen oft von Designern sind. Wir sagen ja nicht: „Jetzt möchten wir Kartons auf dem Kopf tragen.“ Aber wir sind stets sehr offen für deren Anregungen.



Kam je der Moment, wo Sie dachten: Jetzt sind wir zu alt, ernsthaft und erwachsen für solche Spielereien?


Tennant: Nö. Wenn du älter wirst, ist das doch genau der richtige Zeitpunkt für so einen Unfug. Als junger, anständiger Popstar musst du ja irgendwie nur eins: Schön aussehen.

Taken from: HNA.de
Interviewer: Steffen Rüth