Die Exponenten und Kritiker der achtziger Jahre retten den urbanen Pop ins neue Jahrtausend. Der Vorverkauf zum Wiener NEWS-Konzert beginnt.
Der Auftrag ist seit 18 Jahren unverändert. ‘Ich habe den Verstand, du das gute Aussehen, lass uns eine Menge Geld verdienen’, formulierten die Branchenzyniker zum Karrierestart Anfang der 80er im Welthit ‘Opportunities’.
Das taten die Pet Shop Boys dann auch und finanzierten sich mit 30 Millionen verkauften Alben ein Londoner Penthouse. Dank konstanter Selbstreflexion und praktizierter Allürenfreiheit pflegen sie dort statt dekadenter Untätigkeit ihre Talente. Und so vermittelt ihr neues Ouvre ‘Nightlife’ der Welt den schon fast abhanden gekommenen Glauben an die Vereinbarkeit von Intelligenz und Pop. In der zunehmenden Egomanie und Konsumhysterie des ausklingenden Jahrtausends thematisieren Neil Tennant, 45, und Chris Lowe, 40, via CD ‘Nightlife’ und weltumspannender Tournee die Manierismen der Disco-Welt. All das live zu erleben ist verpflichtend und macht das Wien-Gastspiel der Grandseigneurs des Elektro- und Disco-Pop am 25.1.2000 in der Wiener Libro Music Hall zum ersten Pflichttermin des neuen Jahrtausends.
NEWS präsentiert. Die ersten 500 NEWS-Leser erleben das aufwendige Live-Spektakel darüber hinaus zum Sonderpreis: Ab Montag, dem 22.11., liegen 500 Tickets zum Vorteilspreis von öS 420,- (statt 480,-) bei allen öT-Vorverkaufsstellen auf. Die Nachfrage angesichts des ersten österreich-Gastspieles der Pet Shop Boys seit acht Jahren dürfte lebhaft sein. Und wer möchte schon die Umsetzung von Mastermind Neil Tennants Leitsatz versäumen: ‘Schwule haben mehr Lebensqualität und Sinn für ästhetik’ Und: ‘Ich habe noch nie einen Hetero-Popper getroffen, der einen stilvollen Krawattenknoten hinkriegen würde.’
Die Show. Außer perfekten Krawattenknoten stellen Tennant und Lowe knallgelbe Perücken zur Schau, schöpfen regungslos aus endlosem Hitpotential (Songliste siehe unten) und der berühmten technischen Trickkiste der Theaterarchitektin Zaha Hadid. Reminiszenzen an Stanley Kubrick – das Intro ist aus ‘2001 – Odyssee im Weltraum’ entlehnt – sind ebenso beabsichtigt wie die Ergriffenheit während der Hommage an die verstorbene Duettpartnerin Dusty Springfield (‘What Have I Done to Deserve This’)
Sein & Schein. Dass sie sich stets durch ihre Existenzen und ihre Arbeit als leibhaftige Prototypen eines Lebensgefühls auswiesen, macht die Pet Shop Boys zu den führenden Vertretern der Popkultur. Versteht es doch niemand besser, Kitsch und Kommerz mit überzeugung zur Kunstform zu erheben. Einschlägige Branchenkenntnisse kamen dem Ex-Geschichtestudent Neil Tennant – er promovierte über die negativen Folgen des Zerfalls der österreichisch-ungarischen Monarchie – zugute: Als Journalist der Teenie-Gazette ‘Smash-Hits’ war er mit den Mechanismen vertraut, als er 1981 in einem Elektronikgeschäft auf der Kings Road den Architekturstudenten Chris Lowe traf. Da sich in ihrem Freundeskreis Inhaber einer Zoohandlung befanden nannten sie sich ‘Pet Shop Boys’ (Die Knaben aus der Tierhandlung) und bastelten aus nonchalanten Beobachtungen des alltäglichen Irrsinns, dem Straßentheater des Hip-Hop und homosexuellen Disco-Phantasien Schlagermythologien von Jugend, Pop und Männererotik. Mit Bonmots über Yuppie-Strebertum (‘Being Boring’), Vorort-Paranoia (‘Suburbia’), katholische Schuldgefühle (‘It’s a Sin’) oder als Sozialpartnerschaft getarnte Profitgier (‘Opportunities’) enttarnten sie die Popkultur der achtziger Jahre und wurden deren Exponenten.
Nacht & Neon. Die schwermütige Nacht-und-Neon-Poesie der Großstadtdesperados schlug dabei meist ‘in den Zynismus um, der genüsslich die Rituale beschreibt, mit denen die bürgerliche Welt ihre brüchige Moral kaschiert’ (‘Die Zeit’). Elvis Presley (‘Always On My Mind’) blieb von den erklärten Hassern der Rock-‘n’Roll-Kultur dabei so wenig verschont wie U2 (‘Where the Streets Have No Name’)
In den achtziger Jahren wurden die Pet Shop Boys zu Grenzgängern zwischen Hochkultur, Pop, Subversion und Ekstase. Inspiriert von radikal gegensätzlichen Vorbildern wie Schostakowitsch, Brecht/Weill, John Travolta, Village People und den russischen Konstruktivisten, festigten sie den intellektuellen Status. 1993 brachte das Album ‘Very’ den Welthit ‘Go West’. Das Cover gelangte bis ins Museum of Modern Art.
Darüber hinaus zeigten sich Tennant und Lowe immer kollegial: Neben Dusty Springfields Karriererelaunch mit dem Duett ‘What Have I Done to Deserve This’ 1988 verhalfen sie 1989 Liza Minelli im Duett ‘Losing My Mind’ zu ihrer ersten Plazierung in den britischen Charts. Nach Expeditionen zum Film (kürzlich fertigten sie den Soundtrack zu Gus Van Sants Remake ‘Psycho’) und ins Remixer-Genre (David Bowie bat sie, sich seiner Single ‘Hello Spaceboy’ anzunehmen) touren die Pet Shop Boys nunmehr wieder zur Verbreitung ihrer eigenen Mission um die Welt ‘Auf die Dauer sind zwei Plattenspieler und ein Mischpult doch aufregender als fünf Gitarrensaiten’, so Neil Tennant. Quod erat demonstrandum.
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Interviewer: Lisa Ulrich