Die Pet Shop Boys gastierten im Beethovensaal

Pop darf alles. Also dürfen die Pet Shop Boys alles.


Die Pet Shop Boys sind die Reinkarnation von Pop. Sie sind ein Duo,


das alles auf einmal will: Kunst und Klamauk, Anspruch und Schabernack.


Zumindest suggeriert das ihr Konzert am Sonntag im Beethovensaal


der Stuttgarter Liederhalle.




Hier muss natürlich die Definition von ‘Konzert’ einmal mehr überdacht werden. Da gibt es keine Musiker, keine klassischen Instrumente. Der Auftritt von Neil Tennant und seinem stillen Kompagnon Chris Lowe ist eine Show und auch glamouröses Gesamtkunstwerk, in dem alles – mit einer gewissen Reduziertheit – möglich ist.




Ein schwarz gekleideter Kerl mit Frack und Zylinder betritt die Bühne, einer mit Baseballkappe, Brille und neongelbem Kapuzenpulli kommt hinzu, dann nochmal zwei von derselben Sorte, bevor Neil Tennant (in Schwarz) und Chris Lowe (in Gelb) sich gegenüberstehen, die Hand schütteln und Tennant auf Deutsch sagt: ‘Wir sind die Pet Shop Boys.’ Eine Ansage, die es natürlich nicht gebraucht hätte. Die Pet Shop Boys sind ein Unikat – auch wenn es Doppelgänger ihrer selbst geben sollte, erreicht wurden sie nie.




Mit britischem Understatement gibt Tennant den Zampano, verspricht den 2000 Gästen einen ‘evening of electronic entertainment’ im Beethovensaal. Derweil verschanzt sich Lowe bescheiden am rechten Bühenrand hinter seinem Synthesizer. Dieser ist die Quelle der Musik, der zeitlosen Pophits, der elektronischen Mitsing-Kirmes-Nummern, aber auch der leisen Töne. Einmal greift Tennant zur Gitarre. Akustikklänge sind an diesem Abend ein ungewöhnliches Erlebnis. Zu Beginn krächzt der Sänger zwar ein bisschen, was aber nichts macht, weil seine sanftes Stimmchen dann doch so sonderbar alterslos klingt.




Mit wenigen Mitteln wir auf der Bühne die Musik visualisiert. Zwischen vier Neonröhren stehen sich die britische wie die amerikanische Flagge, Bush und Blair gegenüber: ‘I’m With Stupid’ singt Tennant dazu. Unterstützt werden die beiden Protagonisten von zwei Sängern, einer Backgroundsängerin mit voluminösem Organ und zwei talentierten Tänzern. Die Bühnenbilder hat die britische Künstlerin Es Devlin entworfen. Sie spielt mit Spiegelungen, zu dem Song ‘Minimal’ wird dasselbe Wort programmatisch auf die Leinwand projiziert, bei ‘Dreaming Of The Queen’ sind Bilder des Trauerzugs von Lady Di zu sehen, bei ‘Integral’ ziehen Barcodes durch den Hintergrund. Manchmal aber sind die Schnitte zu schroff: beispielsweise geht es von dem Lied ‘Numb’, unterlegt mit Bildern von Eisensteins ‘Panzerkreuzer Potemkin’ und Mantel und Kosakenmützen tragenden Tänzern, zur Strandparty von ‘Se A Vida E’. Aber: ‘That’s The Way How Life Is’. Und es ist die schillernde Welt der Pet Shop Boys, in der auch mal ein goldglänzender Cowboy herumspringt und in der Soldaten mit allerlei Glitter auf den Parkas zu ‘Sodom And Gomorrah Show’ tanzen, wo Krieg als Karneval entlarvt und dessen Absurdität kritisch herausgestellt wird. Die Pet Shop Boys sind eben nicht nur Pop.

Taken from: Stuttgarter Nachrichten
Interviewer: Anja Wasserbäch