Che Guevara and Debussy to a disco beat

Die Pet Shop Boys beehren Deutschland




Von den Hitparaden, den deutschen allzumal, wendet man sich gerne mit Grausen ab, und die Mehrzahl der Radiosender

dümpelt an der Schmerzgrenze vor sich hin. Doch zwei Briten halten einsam das Fähnchen des guten Geschmacks hoch

und dürfen auch weiterhin als die Gralshüter des Pop gelten. Die Pet Shop Boys präsentieren ein neues Album und

begeben sich auf Welttournee.



Anläßlich der Veröffentlichung ihres Albums Behaviour schrieb Olaf Dante Marx vor einem guten Jahrzehnt in TEMPO,

mit den Pet Shop Boys melde sich die intelligenteste Band der Welt triumphal zurück. Leider kann er ihre neue CD

nicht mehr miterleben, und auch TEMPO hat inzwischen das Zeitliche gesegnet, doch sein Statement gilt auch heute

noch. Vor kurzem ist ihr neues Album Nightlife (Rezension hier) erschienen, und vor einigen Wochen haben sie in den

USA ihre erste Welttournee seit acht Jahren begonnen, die sie im November auch nach Deutschland führen wird.



Es kursieren sogar Gerüchte, dass die Shoppies einen Abstecher ins Frankenland, nämlich nach Fürth, machen.

Doch nichts genaues weiß man (noch) nicht.



Ein Blick in die deutsche Hitparade genügt, um sich aufs neue von der bestürzenden Notwendigkeit ihrer Präsenz zu

überzeugen. Debiler Düdelpop à la Mambo Nr 5, seelenloser Latino-Kitsch des sterilen Ricky Martin und die unsägliche,

viel zu langsam abebbende Welle deutschen Techno-Trashs der Marken Blümchen und Marusha, von dem unerträglichen

Möchtegern-Rap deutscher Provenienz ganz zu schweigen: Besseres geben die hiesigen Charts im Augenblick und eigentlich

schon seit zehn Jahren nicht mehr her. Nur vereinzelt schafft es ein guter Song nach oben, so kürzlich Whitney Houstons

‘My love is your love’; dank der zum Schwelgen schönen Produktion von Wyclef Jean stört man sich auch nicht weiter daran,

dass ausgerechnet Frau Houston hier von Obdachlosigkeit und Armageddon singt. Doch solcherlei Hörbares bleibt die Ausnahme.



Jenseits dieser Niederungen, mit durchschlagendem Erfolg in den Achtzigern und etwas weniger Resonanz in den Neunzigern,

haben die Pet Shop Boys einfach immer das gemacht, was sie sehr gut können: perfekte Popmusik, vorgetragen mit kühlem

Stilbewußtsein, gelassener Tragik und sanfter Ironie. Dabei gelangen ihnen Pretiosen wie ‘What have I done to deserve

this?’, zu dem sie die kürzlich verstorbene, legendäre Dusty Springfield ins Studio baten.



Ebenso unterhaltsam und abgründig wie ihre Musik gestalten die Pet Shop Boys stets auch ihre optische Präsenz. In den

Achtzigern gaben sie sich noch quasi-naturalistisch, sieht man von Chris Lowes Extravaganzen ab: 1987 erschien er zur

Verleihung der Brit Awards im Anglerdress, während Neil Tennant Smoking trug. 1993, als noch der salopp-verschlappte

Grunge dominierte, provozierte das Duo mit bunten, futuristischen Anzügen und Narrenkappen, die David Fielding, ein

Designer von Opernsets, für sie konzipiert hatte. Jetzt erregen sie mit einem eher düsteren, feierlichen Look Aufsehen,

den sie zusammen mit dem Theaterdesigner Ian McNeil entworfen haben; über weiten Samurai-Hosen tragen sie dunkle Jacken

und Mäntel, die etwas an Issey Miyake erinnern, als Kopfputz dienen gelbe Punkperücken und dunkle Augenbrauen.



Auch die neue Bühnenshow wird wieder etwas Besonderes; das Set und die Show gestaltet die im Irak geborene britische

Architektin Zaha Hadid, die die ursprünglichen Entwürfe zum Opernhaus von Cardiff vorlegte und zu den kontrovers

diskutierten Vertretern ihrer Zunft gehört. Es ist also zu erwarten, dass auch die kommenden Auftritte so spektakulär

werden wie ihre letzten, die sie unter anderem mit dem britischen Regisseur Derek Jarman (‘Caravaggio’, ‘Blue’)

entwickelt hatten. Oder, wie es Neil Tennant ausdrückt: ‘…because we’re very arty, as you know.’

Taken from:
Interviewer: Manfred Hallschmid