Britisches Duo Pet Shop Boys in Frankfurts Alter Oper






Eine eigenwillige Angelegenheit, dieser ‘Abend mit elektronischer Unterhaltung’: Britisches Understatement gepaart mit einer Prise schwulem Glamour, skurrilem Humor, ein bisschen politischer Botschaft, diversen Multimedia-Gags und viel Ironie. Sehr eigenwillig. Dazu ohne Instrumente. Aber schön unaufgeregt unspektakulär. Also, wenn man nicht wüsste, dass da vorne in der 80er-Jahre Neonkulisse ein stets weise lächelnder Neil Tennant und sein stets cooler Kumpel Chris Lowe zugange wären, könnte man glauben, die Parodie eines Pop-Konzertes zu erleben. Und vielleicht ist es das auch. Weil die Herren, die in 22 Jahren gut 50 Millionen Alben verkauft haben, sich nicht ewig selbst zitieren und als Rolling Stones des Pop enden wollen? Gut möglich. So viel gibt es ja ohnehin nicht mehr zu tun. Die Kunst der opulenten Selbstinszenierung ist von den Pet Shop Boys längst ausgedeutet – sie haben auf abenteuerlichen Bühnen schrille Performances veranstaltet, vor deutschen Kohlebaggern und mit Symphonieorchestern gespielt, sind zum Revolutionsfilm ‘Panzerkreuzer Potemkin’ auf einen Dresdener Plattenbau geklettert und haben Musicals am Londoner Westend abgefeiert. Alles große Spektakel.




Jetzt, da das Haar dünner, die Schläfen grau geworden sind, kann man´s eben doch etwas gemütlicher angehen lassen – die Fans werden schließlich auch nicht jünger. Als Begrüßungs-Gag in der Frankfurter Alten Oper bringen die Pet Shop Boys zunächst einmal vier Doubles mit auf die Bühne, die wohl gerade mal so alt sind wie der Opener ‘Left to my own devices’ – Jahrgang 1988. Und Tennant, 52, in Zylinder, Frack und Pailletten-T-Shirt, schmunzelt fröhlich vor sich hin mit Blick auf ‘seine’ Jugend, die da neben ihm ungelenken Breakdance übt. Lowe, in Käppi, Sonnenbrille und Kapuzenpulli, hat sich derweil hinter sein Keyboard-Podest verzogen, friggelt am Computer herum und wird sich dabei auch die nächsten zwei Stunden nicht mehr stören lassen. Man kennt das. Immerhin, einmal wechselt er den Pulli – von qietschgelb zu blau, so viel Zeit muss sein, weil im Instrumentalstück ‘Paninaro’ doch gleich die Hooligans losgelassen werden, virtuell natürlich. Alleinunterhalter Neil, der diesen schmalen Grat zwischen gepflegter Tristesse und larmoyantem Pathos längst zum Stil erhoben hat, ist zwangsläufig fleißiger – jeder Song will individuell performed und via Videoeinspielung visualisiert sein.




Sieht dann wie folgt aus: ‘Suburbia’ lässt Gangs vor trostlos grauen Digital-Gardinen aufeinander los, ‘Minimal’/’Shopping’ tönt als Reminiszenz an die Elektronik-Väter von ‘Kraftwerk’ vor altmodischen Computerziffern, ‘Dreaming of the Queen’ wird begleitet von Prinzessin Dianas Trauerzug, ‘Rent’ spielt vor schmerzhaft blutroten Wänden, ‘Where the streets have no name’ beschäftigt in Gold gewandete, schwule Cowboys – wie im Theater, mal ein wenig verfremdet, mal überzeichnet. Aber eben intelligent, nie langweilig. Und ganz bewusst mit jenem politischen Akzent, den das letzte Album ‘Fundamental’ schon gesetzt hat – eine Scheibe, die Themen wie globale Blödheit, Verlustängste um individuelle Freiheiten oder Bush und Blair anpackt. Ein Hauch Anarchie darf schon grüßen in dieser eleganten Party-Simulation für Doppelherz-Konsumenten. Aber das große Finale, in dem Tennant zu ‘The sodom and gomorrah show’ in bizarrer Generalsmontur die Karikatur eines lateinamerikanischen Putschisten gibt, wartet ja erst. ‘Wir sind immer die Pet Shop Boys’ wird er hinterher sagen, und weise lächeln.

Taken from: Wormser Zeitung
Interviewer: Peter Müller